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Lauf die Honigworte von den Rosenlippen der Plaudererin abzustehlen, und für den Augenblick Hain, Bach und Quellenkönigin vergessen zu haben scheint. Wer das Fräulein in dem lichtblauen Kleide, mit dem silbergestickten Schleier, und den Wasserrosenkranz im Haar, war? – Wir wissens nicht. – Jetzt beginnem die Geigen einen herrlichen Tanz, die Flöten fallen ein, dort fliegt der Ritter in wonnigem Taumel: Wie des Mädchens dunkle Locken über den blendenden Nacken wallen, wie Entzücken aus den Augen des Tänzers strahlt und röther die Wangen der beyden glühen! – Schon ist die letzte Stunde des Tages gekommen, und hinter trüben Wolken steigt des Mondes letztes Viertel empor, lustiger wirbeln die Pauken, schmettern die Posaunen, jubeln Schallmeyen und Flöten, munter wälzt sich noch der Reigen in dem vollen Saal; noch drückt feurig und heimlich der freudetrunkene Ritter die Hand seines scherzenden Fräuleins, eben will er mit zarter Bitte ihren Namen erfragen – doch siehe – was ist denn das? Der Ritter wird blaß – seine Hand zuckt nach dem Ring an der andern, als empfände er dort einen heftigen Schmerz; er läßt

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Ludwig Bechstein: Thüringische Volksmährchen. Carl Fleck und Comp., Sondershausen 1823, Seite 36. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bechstein_Th%C3%BCringische_Volksm%C3%A4hrchen_1823.pdf/38&oldid=- (Version vom 31.7.2018)