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traurig: Nicht morgen, lieber Ritter, auch übermorgen nicht; heut ist Vollmond, erst in 8 Tagen, wenn das letzte Viertel eintritt, kannst Du mich wieder sehen. Dann sollst du schauen mein herrliches Krystallschloß, wo auf silberschimmerndem Grunde Blumen von köstlichen Perlen sprießen, und durch die saphyrne Decke goldstrahlende Sterne leuchten. Bis dahin lebe wohl; doch daß Du immer liebend mein gedenken mögest, so nimm diesen Ring als ein Unterpfand meiner Liebestreue. Er ist gefegt, ihn schmiedeten aus sieben Metallen im Mittelpunkte der Erde kunstreiche Gnomen. Wenn Du ihn in die Tiefe dieses Wasserspiegels senkst, dann erscheine ich Dir augenblicklich. Noch andre Eigenschaften hat der Ring, welcher Dir mehr seyn kann als der treueste Freund. – „Nicht mehr als Du, o meine herrliche Selinde!“ – fiel rasch der Ritter ein, doch sie fuhr fort: Wenn Du o Alfred im Geräusch der Feste auf jener Burg mein vergessen könntest, wenn Du zu lange dort verweilst und die sehnende Geliebte länger als bis Mitternacht harren läßt, dann ist zerrissen das Zauberband unsrer Herzen und nie – nie – siehst Du mich wieder.

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Ludwig Bechstein: Thüringische Volksmährchen. Carl Fleck und Comp., Sondershausen 1823, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bechstein_Th%C3%BCringische_Volksm%C3%A4hrchen_1823.pdf/26&oldid=- (Version vom 31.7.2018)