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Göttin ihren Thron behauptet, und welchen Snotra mit der Sittsamkeit und Unschuld Rosen-Schleyer verhüllt hatte. Schüchtern stammelte Ingomar seine Liebe, wie er sie oft belauscht, oft an ihrem Anblick sich geweidet habe, und wie ihr schönes Bild sich tief in sein Herz eingeprägt hätte.

Egil hatte noch nie geliebt, hatte noch nie einen solchen Jüngling gesehen, wohl aber hatte eine heimliche Sehnsucht ihrer sich immer bemächtigt, wenn sie im Sommer den Murmeln des Quells lauschte, und der Hain vom Gesange der Vögel ertönte, und die Blumen freudig rings um erblühten; dann wünschte sie wohl, jemanden zu haben, dem sie traulich sich nahen könnte, denn sie hatte keine Freundin, kannte nur ihrer Mutter herrisches Walten im häuslichen Kreise, und ihres Vaters wilden, wüsten Sinn, und die Gefährten, die ihn zuweilen heimsuchten, waren ganz wie er selbst, roh und finster; darum mußte ihr der schöne, freundliche Jüngling gefallen; doch trat sie zaghaft zurück, und wollte nach Hause eilen, aber Ingomar, im Gluthfeuer der ersten Liebe, hielt sie fest umfangen,

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Ludwig Bechstein: Thüringische Volksmährchen. Carl Fleck und Comp., Sondershausen 1823, Seite 154. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bechstein_Th%C3%BCringische_Volksm%C3%A4hrchen_1823.pdf/156&oldid=- (Version vom 31.7.2018)