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Militärlazareth. Hier liegst Du, armer Verstümmelter, Deines Schicksals unbewußt, verlassen von den Deinigen, ach verlassen vielleicht von der ganzen Welt. Deine Leiden, Deine Körperschmerzen lassen dich fühllos, wohl Dir! – Doch mit starren Blicken siehst du die Träger kommen, und den verschiedenen Waffenbruder von Deiner Seite nehmen, Du siehest an jedem Morgen die nehmliche Scene sich wiederholen – und der Gedanke: morgen trift Dich ein ähnliches Loos! – ist fast noch der einzige, den die Seele noch zu denken fähig ist. Errettet Dich Gott, schwer Verwundeter! da stellen sich die Seelenwunden ein, und die traurigste Zukunft thut sich Deinen Blicken auf; verblühet ist die einst so viel versprechende Blüte des noch jungen Lebens – nutzlos das Erbarmen deiner Brüder ansprechend irrest Du nun einher, bis einst im späten Alter der erwünschte Tod das traurige Daseyn endet. Ja, nie werde ich euch vergessen, ihr Jammergestalten, und stets werden eure bleichen Geistergesichter mich an diese Tage des Elendes und Abscheues erinnern. Der Morgen graute, das Leichenbegängniß wurde gehalten, ein einz ger[WS 1] Sarg empfing die Todten alle, aber das noch nicht gefüllte Grab erwartete, alles verschlingend, noch des andern Morgen Lieferungen. Verbundne Köpfe, Stelzen, im Bunde getragene Arme, Aussätzige, das Gehen verlernte Nervenkranke, diese waren es, die mich in der schönsten Jahreszeit erfreuen

Anmerkungen (Wikisource)

  1. in der Vorlage so geschrieben, evtl. fehlt nicht gedrucktes "i" oder Leerraum ist zu viel
Empfohlene Zitierweise:
Carl Baumann: Kriegs- und Familienscenen 1813. , Dresden 1815, Seite 53. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Baumann_Kriegs-_und_Familienscenen_1813.pdf/59&oldid=- (Version vom 12.9.2022)