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den Jahre fast zur nehmlichen Stunde Dresdens Bewohner in so tiefe Trauer setzte?[1]

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Carl Baumann: Kriegs- und Familienscenen 1813. , Dresden 1815, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Baumann_Kriegs-_und_Familienscenen_1813.pdf/30&oldid=- (Version vom 13.9.2022)
  1. Marshall Davoust.
    So verhaßt den Deutschen auch sonst alle französische Heerführer im Allgemeinen seyn mußten, so hat sich doch Keiner ihren Haß in dem Grade zugezogen, als der Marschall Davoust. Niedersachsen vorzüglich empfand in diesem Jahrkriege die Gegenwart dieses Wütherichs, der im Vergleich die Geschichte der ehemaligen Niederlande, Albas Tiranney nur zu wahr wiederhohlte. Seine Verfolgungen gegen jede Geistes-Erhebung, seine Geringschätzung gegen alles, was deutsch hieß, die unerbittliche Ausführung aller und jeder Napoleonischen Decrete, die schnelle Verurtheilung der Patrioten, die namenlosen Bedrückungen Hamburgs edler Bürger, ihre Ausstoßung, wobey Tausende ihr Haabe und Gut schnell verlassen mußten, der große Räuberstreich, die Wegnahme der Hamburger Bank; alles dieß verewigte den famösen Marschall. Davoust, ein altadelicher Edelmann, gebohren zu Annau in Burgund, wußte sich in den ersten Revolutionszeiten, wo er als Unterlieutnant angestellt war, zu erhalten. Unter Dümouriez wurde er Chef eines Freybatalions und zeichnete sich aus, und als jener den Versuch machte, zu den Oesterreichern überzugehen, war er es, der es wagte, sich seiner zu bemächtigen. – Dies machte Aufsehen, und sein Glück war nun gegründet. – Unter Vichegru ward er General. In Mannheim wurde er gefangen und nach wenig Monaten, ausgewechselt. Mit Bonaparte gieng er nach Egypten, und unter Dessaix focht er gegen den nicht leicht zu besiegenden Murad-Bey. Nach der Rückkehr wurde Davoust nach Paris berufen und zum Divisionsgeneral ernannt, und erhielt endlich das Oberkommando der Consulargrenadier-Garde. Die Thronbesteigung des Kaisers ertheilte ihm die Reichsmarschallwürde. Einige für ihn glückliche zufällige Umstände in den Gefechten von Austerlitz und Jena erhoben ihn zum Range eines Fürsten.
    An der Schlacht von Aspern konnte er wegen Sprengung der Brücke keinen Theil nehmen, nur eine Division von seinem Armeekorps focht, deren Anführer General St. Hilaire blieb, und die fast gänzlich aufgerieben wurde. Bey Wagram kommandirte er den rechten Flügel, und bewirkte hauptsächlich den Rückzug der Oesterreicher. – So dessen Kriegsthaten; jedoch nach dem Frieden von Tilsit blieb er in Deutschland zurück, Erfurt war seine Residenz, und der Mittelpunkt, wo die Nachrichten seiner geheimen Agenten aus allen Gegenden Deutschlands zusammentrafen. –
    Nach dem Feldzuge vom Jahr 1809 blieb der Fürst von Eckmühl in demselben Wirkungskreise, und kam dann als Generalgouverneur der hanseatischen Departemente nach Hamburg. – Der Marschall Davoust ist von starkem, corpulenten Körperbau, mit einem glatten vollen Gesichte. Sein Auge ist schön, seine ganze Physiognomie deutet auf Ernst und Ruhe, ist aber keinesweges unangenehm. Wann sein Gemüth nicht von Zorn bewegt ist, wird man ihn nicht unbefriediget verlassen und eine gute Idee von ihm haben. Ganz anders aber ist es, wenn der Zorn sich seiner bemächtiget, welches bey seiner großen Reizbarkeit oft und plötzlich geschiehet, so daß derjenige, welcher auf so eine Verwandlung nicht gefaßt ist, davor zurückschaudert. Zwey Dinge gab es, bey denen er sich Alles für erlaubt hielt: nehmlich bey dem Verkehr mit England und bey politischer Schriftstellerey. Wie sehr er nach diesem Grundsatze handelte, bewies in der Folge die Einkerkerung des Raths Becker in Gotha – Napoleon hielt sehr viel Stücke auf seinen Davoust, und dessen innersten Gesinnungen bezeugen noch seine Aeußerungen, die jenem Sprichwort: kleine Diebe hänget man, große läßt man laufen, nicht entsprechen – Ehe der Marschall Davoust in diesem Jahre wieder in Hamburg einrückte, sagte er in Bremen: ich werde nur die Schuldigen strafen; und auf die Frage, wer diese wären? erwiederte er: dies sind die Reichen. – Man sagt jetzt: daß der Werth der Hamburger Bank soll wieder erstattet werden – von wem? –