Seite:Baumann Kriegs- und Familienscenen 1813.pdf/15

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Regionen schwingt, wo die Wunder der ergrauten heiligen Vorzeit noch so kräftig im Glauben wirken, wo das Gnadenbild wahr verehret, Seelenwunden heilet, wo der Christ Rang und Stand vergessend, nur als Christ erscheinet – auch dich wählte ich nicht. Deine heilige Schwelle betrat ich, Anspruchlose! die du dich so demüthig in den Schatten deiner Mitschwestern verbirgest. Ein reiner melodischer Gesang empfieng mich, in leisen Tönen mischte sich mein Geist mit dem Geiste der Gemeinheit, und das Gemüthe bereitete sich allmählig vor, das Göttliche zu vernehmen. Die Rede begann, und das Undeutliche, das in uns lag, wurde verdeutlichet, aber es waren schwere, verhängnißvolle Worte, die der Redner aussprach, deren Inhalt leider nur zu wahr in Erfüllung ging, sie verwandelten sich endlich in Worte des Trostes, in Ermahnung zur Duldung und Standhaftigkeit, und giengen über in Verheißungen des Heils. Die Rede kam vom Herzen, sie drang in die Herzen, und das Gesagte verklärte sich in den Gesichtszügen der Andächtigen.

Ich war befriediget, aber nicht beruhiget, meine Besorgnisse waren gegründet, die Nachzeit bestätigte sie auch an dir, du Geheiligte! in deinen Mauern selbst giengen jene Weissagungen in traurige Erfüllung über.

Ich sahe dich nach wenig Monaten wieder; Gott! wie hatte sich alles so schrecklich verändert, da, wo sonst die Seufzer, Wünsche und Gebete zur

Empfohlene Zitierweise:
Carl Baumann: Kriegs- und Familienscenen 1813. , Dresden 1815, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Baumann_Kriegs-_und_Familienscenen_1813.pdf/15&oldid=- (Version vom 14.9.2022)