Seite:BaumannImGottesländchen.pdf/83

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

eingefaßt. In seiner nächsten Nähe floß die Abau vorüber, nach rechts an Breite zunehmend und sich in Krümmungen im dunklen Laube der Haine, die des Menschen Hand stehen gelassen, verlierend. Auch die Bergabhänge, die überall von Wiesen umfaßt und zerteilt wurden, waren dort rechts noch an manchen Stellen mit Laubwald bedeckt, was der Gegend ein romantisches Aussehen verlieh. Über den Fluß führte beim Städtchen eine hölzerne Brücke, wo der Weg nach Goldingen hinüberging, um jenseits in schräger Richtung den Abhang hinanzusteigen und oben hinter wogendem Korne zu verschwinden. Zu Seiten dieses Weges lagen auf den jenseitigen Höhen die Güter Brink- und Fircks-Pedwahlen mit einer Brauerei und einem großen Park, wohin die Zabelner Sonntags Ausflüge unternehmen sollen. Der Schloßberg hatte die Form der schon früher bei Talsen und Kandau gesehenen: stumpf-dreieckig mit einer Erhöhung au der einen Seite. Auf dem niedrigeren Teile wogte im Winde ein Haferfeld. Von diesem Berge erzählte die Sage folgendes: In alten Zeiten lebte im Schlosse hier oben ein wunderschönes Edelfräulein. Viele Freier hoch und edel kamen, um ihre Hand zu werben. Doch keinem gelang es, die Probe zu bestehen, die das Fräulein ihnen auferlegte: zu Pferde den steilen Berg von der Talseite hinaufzureiten; alle stürzten rücklings in den Burggraben hinab, wo sie ertranken. Da nahte einst ein kühner fremdländischer Fürst, der mit einem Satze seines mutigen Rosses oben war. Für den Schluß der Sage gibt es zwei Versionen: nach der einen soll der Fremde, oben angekommen, das Herz des harten Edelfräuleins verschmäht und diese sich aus Verzweiflung in den Burggraben hinabgestürzt haben; nach der andern aber, habe das Pferd des Fremden oben Feuer und Schwefel gespieen, worauf das Schloß mit Mann und Maus in die Erde versunken sei, wo es sich noch jetzt befinde. Als Beweis für die Richtigkeit der letzteren Version führte man an, daß einmal

Empfohlene Zitierweise:
Edgar Baumann: Im Gottesländchen. In Kommission bei Kluge und Ströhm [et al.], Reval [et al.] 1904, Seite 75. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:BaumannImGottesl%C3%A4ndchen.pdf/83&oldid=- (Version vom 12.12.2020)