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phantastisches Farbengewand. Auch hier, besonders bei der Flußmündung, lagen im Ufersande viele Felsblöcke. – 11. Juli. Sand, Wiesenland und Gebüsch bildeten die Signatur der Gegend zwischen Uppesgrihwe und dem 4 1/2 Werst landeinwärts gelegenen Uggunziem (Feuerdorf), wohin wir uns am Morgen begaben. Es war ein Sonntag, und wir besuchten dort das Bethaus der Baptisten. (Die nächste lutherische Kirche befand sich in Markgrafen.) Zuerst sang man ein Lied, dann betete der Vorleser, dann sang man wieder, worauf ein Weiblein seine schluchzende Stimme erhob und ein herzliches Gebet sprach. Zum größten Teil bestand der Gottesdienst aus Gesang, doch wurde auch ein Schriftabschnitt verlesen. Anerkennenswertes leistete der vom Vorsänger eingeübte Chor. Mir ging der Gesang sehr zu Herzen, und lange noch klang mir der Refrain eines Liedes: „Nahzi drihs, kungs Jehsu!“[1] im Ohre nach. Uggunziem lag am kleinen Flüßchen, das sich bei Uppesgrihwe ins Meer ergoß. Rund­ herum war viel Wald. Daher wohnte hier auch ein Forstaufseher. Zu Herzog Jakobs Zeiten (1642—81) muß das Dorf ein bedeutender Industrieort gewesen sein, da sich damals hier ein Eisenhammer, eine Kirche und eine große Ansiedlung befunden haben. Noch jetzt waren auf der Anhöhe beim Forsthause Mauerreste zu sehen. Die Kirche existierte schon lange nicht mehr. Ihre metallenen Leuchter befanden sich jetzt in der Markgrafenschen Kirche, und ihre massiven Eingangstüren waren lange Zeit bei einem hiesigen Wirte zu sehen gewesen, jetzt aber verschwunden.

12. Juli. Am frühen Morgen nahm ich meine Strandtour wieder auf. Bis Markgrafen, einige Werst hinter Uppesgrihwe, bildete reiner Sand das Ufer. Beim Kap aber waren eine Menge Felsblöcke ins Meer hinein und auch

  1. „Komme bald, Herr Jesu!“ der vorletzte Vers der Bibel.
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Edgar Baumann: Im Gottesländchen. In Kommission bei Kluge und Ströhm [et al.], Reval [et al.] 1904, Seite 60. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:BaumannImGottesl%C3%A4ndchen.pdf/68&oldid=- (Version vom 12.12.2020)