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wir zur Prahwingschen Buschwächterei, wo sich am Fuße des Labbingberges die „von Gott herabgelassenen“ Kaln- und Lehjaslabbingschen Seen gelagert fanden. Bei klarem Wetter soll man vom Labbingberge sogar den Angernschen See und das Meer, auf dem Schiffe fahren, deutlich sehen können. Jetzt benahm der Höhenrauch die Fernsicht. In der Nähe erhob sich der schlanke, rote Schornstein der Odernschen Brauerei und Brennerei. Im See tummelte sich mit großem Hallo eine badende Kinderschar. Sehr freundliche Leute trafen wir im nahen am Waldesrande belegenen R.-Gesinde an. Der Sohn des Wirts zeigte uns einen schweren (französischen) Reitersäbel aus dem Jahre 1811. Auch hierher sollen im großen Jahre 1812 die Franzosen gekommen sein. Der Segenswunsch, den die lettischen Landleute einem Wanderer auf den Weg geben, lautet gewöhnlich: „Sstaigajiet laimigi!" („Wandelt glück­lich!“). Gar herzlich klang er mir hier beim Abschiede von diesen lieben Menschen, die so rein schienen, wie die Natur ihrer Heimat, mit der ihr ganzes Sein und Fühlen auf das innigste verwachsen war. Das waren noch Landleute vom alten Schlage, die ein kindlich frommes Gemüt ihr eigen nannten.

Nun wandten wir unsere Schritte Talsen zu. Hinter der Prahwing-Lichtung erreichten wir nach Durchquerung eines Waldes den schönsten von all den lieblichen Bergseen dieser Gegend, die wir gesehen hatten. Es war der Issutsee. Mit seinem glatten Spiegel und seinen hellgrünen hügeligen, windungsreichen Ufern glich er einem herrlichen Saphire in lichter Einfassung. Über mit Gebüsch bedeckte Höhen kamen wir darauf zu einer Stelle, wo der Boden einen sehr tiefen, von Bergen umschlossenen Kessel bildete, auf dessen Grunde sich ein sumpfiger „Trekter“ befand. Wir stiegen den mit Gesträuch bewachsenen Abhang hinab. Unten nahmen sich die grünen Laubwände mit dem blauen Himmel, der als Decke darüber gebreitet war, sehr eigen aus. Jenseits klimmten wir wieder

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Edgar Baumann: Im Gottesländchen. In Kommission bei Kluge und Ströhm [et al.], Reval [et al.] 1904, Seite 36. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:BaumannImGottesl%C3%A4ndchen.pdf/44&oldid=- (Version vom 12.12.2020)