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bemerkten wir oben am Himmel silbern blinkende, streifenartige Lämmerwölkchen. Mein Führer K., ein Sohn dieser Berggegend, nannte sie „Gewitterwolken“ (lettisch pährkonja däbbeschschi) und sagte, daß sie auf Regen hindeuteten. Sie sollten sich nämlich später vereinigen, worauf Gewitterwolken entständen. In der Nacht glänzten sie wie Silber, und das seien sie auch, denn wo sie später als Regen niedergingen, da werde der Boden fruchtbarer als anderswo. Daher sei der Gewitterregen für den Landmann der beste. Der Berg, den wir jetzt bestiegen — K. nannte ihn nach einem Gesinde in der Nähe den Apfelbachberg — war noch höher als die bisherigen Höhen. Wieder hatten wir eine schöne Fernsicht nach Talsen hin. Ringsum tief unten, von den anderen Anhöhen umschlossen, breiteten sich große und kleine Felder und Wiesen aus. Sie glichen feingewirkten Teppichen: dort lagen gelbe, sammetartige — im Winde wogende Roggenfelder, dort hellgrüne — Gerste, Weizen und Hafer, dort ein dunkelgrüner — Klee, dazwischen auch braune — eben erst bepflügte Erdstrecken. Hin und wieder erhoben sich aus diesem teppichartigen Grunde kleine, bukettähnliche Wäldchen und Haine und blinkten seitwärts im Tale die schon genannten Seen, nur weiter als früher von uns entfernt. Über all’ diese von der Sonne lieblich beschienene Herrlichkeit blickte man hinweg auf die Ebene, welche die Berggegend umgab. Wieder waren die Güter in der Ferne zu sehen, wieder guckte Talsen mit seinem See hinter Gebüsch und Wald hervor. Auch das Trillern der Lerche ertönte, ein Loblied auf die Natur und ihren Schöpfer, hoch oben über uns. Mein Führer meinte, man könne sonst noch weiter, sogar bis zu den Höhenzügen beim Erwahlenschen See, ja auch diesen selbst sehen, jetzt aber hindere uns daran der Höhenrauch (lettisch buls), der sich auf den entfernteren Gegenden gelagert hatte.

Über Wiesen und längs Gebüsch bergab gehend, brachen

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Edgar Baumann: Im Gottesländchen. In Kommission bei Kluge und Ströhm [et al.], Reval [et al.] 1904, Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:BaumannImGottesl%C3%A4ndchen.pdf/35&oldid=- (Version vom 12.12.2020)