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gab es ein großes Fliegengesumm, denn dieser Sommer war auf dem Lande ein fliegenreicher. Während wir dort saßen, erschien draußen eine abgelumpte Jüdin mit einer großen Schar halbnackter Kinder, die sämtlich wie die Zigeuner braungebrannt waren. Das Weib klagte über ihre verzweifelte Lage, erzählte, daß sie in Schagarren (an der kurischen Grenze in Litauen gelegen) abgebrannt seien und nur das bloße Hemd am Leibe besäßen. K. ließ sich nichts vorschwindeln, sondern verwies sie an die reichen Stammesgenossen in Talsen, wohin sich denn auch die braune Schar auf den Weg machte. Im Garten von Althof sollen Schätze vergraben liegen. So gehe, sagt man, seit alten Zeiten die Sage unter dem Volke. Leider seien die Nachgrabungen der früheren Pächter erfolglos gewesen. Dennoch erhalte sich hartnäckig das Gerücht von ihrem Vorhandensein. Im Teiche beim Herrenhause wurde ein Fischzug unternommen. Drei Männer gingen mit zwei an langen Stangen befestigten Netzen, die an einem Ende verbunden waren, in den Teich, durchwateten ihn und zogen am anderen Ufer allerlei Gewächse heraus, in denen Fische stecken geblieben waren. Dieses Durchwaten des Teiches nahmen sie an verschiedenen Stellen vor und fingen auf diese Weise im Lauf von einigen Stunden recht große Karauschen und andere Fische, die einen Spann füllten. Die Karauschen schmeckten uns später, gebraten und kalt gereicht, sehr gut. Von Althof begab man sich über dürre Wiesenstrecken nach Feldhof zurück. Auf der Rampe des Herrenhauses sitzend und die Gegend ringsum betrachtend, schrieb ich dort folgende Zeilen ins Tagebuch: „Es ist Abend. Die Sonne steht noch recht hoch am Himmel. Da es am Tage sehr heiß gewesen ist, wirkt der Abendwind erfrischend. Von allen Seiten wird Feldhof von Kornfeldern umgeben, was sich sehr gut ausnimmt. Rechts liegt hinter hell- und dunkelgrünen Feldern und Wiesen das freundliche Talsen. Weiterhin nach vorne erheben sich

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Edgar Baumann: Im Gottesländchen. In Kommission bei Kluge und Ströhm [et al.], Reval [et al.] 1904, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:BaumannImGottesl%C3%A4ndchen.pdf/27&oldid=- (Version vom 12.12.2020)