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in dem zwei kleine Seen den unteren Teil des Städtchens begrenzen. Vor mehreren Jahrzehnten, so erzählte man mir, soll das Städtchen ein ganz kleiner Flecken gewesen sein, der aus ein paar Hänsern und einem Kruge in der Nähe des Kirchberges bestanden habe. Über den noch ungeteilten See im Tale, der jetzt rechts und links vom Städtchen den Talsenschen und den Wolfssee bildet, sei man damals mit einem Floße gefahren. Später sei jene Überfahrtsstelle versumpft, dann verschüttet worden, und auf diese Weise ein Landweg entstanden, wo im Herbste die Pferde und Wagen tief in Schmutz und Schlamm versunken seien. Erst vor wenigen Jahren sei dem Übel durch Pflasterung abgeholfen worden, und jetzt ziehen sich längs der Straße durch das Tal Häuser hin, hier bergab, dort bergan. Das alte Talsen, das hier gestanden, soll in Kriegszeiten seinen Untergang gefunden haben. Eine Erinnerung an dasselbe bilden hier ausgegrabene alte Kanonen, die jetzt drüben am Wege nach Dondangen als Wegepfeiler friedlichen Zwecken dienen. Die Entstehung des heutigen Talsen fällt nach Possart (Gouv. Kurland) ins 17. Jahrhundert. Auf dem Schloßberge hinter der Kirche hat einst, zurzeit des alten Talsen, ein ritterliches Schloß gestanden. Dort be­finden sich jetzt die Mühle und das steinerne Wohnhaus des Herrn G., eins der besten in Talsen, mit einem schönen Garten. Bei diesem Hause hat man gleichfalls einen lohnenden Ausblick auf das Städtchen. Unten im Tale liegt dort der von grünen Wiesen umrahmte Wolfssee, dessen Ufer früher mit Nuß­gesträuch bewachsen waren. Am andern Ende dieses Sees liegen die Güter Wolfshof und Talsenhof. In Wolfshof machte man mich auf eine Riege aufmerksam, von der sich das Volk folgendes erzählen soll. Nach einem Brande derselben habe man dort beim Neubau Menschengebeine, Säbel, Schwerter und Dolche gefunden, und lange nachher, als die Riege wieder benutzt worden, sei es unmöglich gewesen,

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Edgar Baumann: Im Gottesländchen. In Kommission bei Kluge und Ströhm [et al.], Reval [et al.] 1904, Seite 16. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:BaumannImGottesl%C3%A4ndchen.pdf/24&oldid=- (Version vom 12.12.2020)