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dem viele tüchtige Volksschullehrer Kurlands ihre Ausbildung verdanken. Über eine steinerne Brücke passierte ich wieder die hier noch recht kleine in einem wiesenreichen Tale fließende Abau. Im Frühjahr soll sie austreten und sehr reißend werden. Hier begegneten mir Zigeuner, die achtungsvoll grüßten und meine Willaine priesen. Ungern wäre ich ihnen im Walde begegnet, der nun begann und bis Tuckum mein Begleiter blieb. Es war ein schöner Laubwald, dessen Bäume hoch zum Himmel emporragten. Auch Nadelwald erschien stellenweise. Bis Tuckum waren es noch gegen 12 Werst. Da traf ich im Walde einen Fuhrmann, der mich mitnahm. Unterwegs machte mich dieser bei einer Lichtung in einem Tale — die Gegend war bergig — auf das Gehpen-Gesinde auf­merksam, dessen Besitzer den Obstbau sehr rationell betrieb: sogar längs den Gräben zwischen den Kornfeldern hatte er Obstbäume gepflanzt. Meine Willaine anlangend, sagte der Fuhrmann, daß auch in der Tuckumer Gegend früher ähnliche Umlegetücher im Gebrauch gewesen, jetzt aber schon seit Jahrzehnten verschwunden seien. Wir begegneten Equipagen, deren Insassen zum Teil eingenickt waren: die Sommersaison in Plönen war zu Ende und die Badegäste kehrten auf ihre Güter zurück. Einige Werst vor Tuckum hatten wir von einem Berge, über den der Weg führte, einen schönen Ausblick auf die Gegend vor uns. Dort lag auf einer grünumfangenen Anhöhe am Fuße mächtiger bewaldeter Höhenzüge, über die der Hüningsberg sein Haupt emporhob, das Städtchen Tuckum mit seinen weißen Häusern. Es war eine lohnende Fernsicht. Kurz vor Tuckum fuhren wir an der Mühlenstauung vorüber, die in einem sumpfigen Tale lag. Hier badeten sich unweit der Landstraße ganz sans gene verschiedene Menschlein. Im Städtchen selbst gab es ein reges Leben: ausgeputzte Juden spazierten, da es Schabbes war, überall umher, und dann fanden sich auch schon verschiedene Fremde, z. B. Zigeuner,

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Edgar Baumann: Im Gottesländchen. In Kommission bei Kluge und Ströhm [et al.], Reval [et al.] 1904, Seite 119. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:BaumannImGottesl%C3%A4ndchen.pdf/127&oldid=- (Version vom 9.3.2019)