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eine tiefe Grube im Flusse aufgewühlt, wodurch die Rummel entstanden sei. Darauf hätten sie Balken ergriffen und sich damit wie mit Knütteln so lange geschlagen, bis der eine liegen geblieben. (Nach anderen Sagen wird die Entstehung der Rummel auf einen Versuch des Teufels, den Fluß abzusperren, zurückgeführt.) Später seien die Riesen infolge einer Pest ausgestorben, und seitdem gebe es in Kurland keine mehr. Der Rock eines Riesen habe noch lange nachher in der Kirche zu Goldingen gehangen. Die Fäden, mit denen er zusammengenäht gewesen, hätten die Dicke eines Fingers gehabt, und seine Knöpfe seien so groß wie Schüsseln gewesen: ein zehnjähriger Knabe habe einen Knopf nur mit Mühe aufheben können.“ (Treuland.) — Aus der Geschichte wissen wir, daß die alte Burg Goldingen (lett. Kuldiga) weiter stromaufwärts gelegen hat, wo sich noch jetzt am hohen, steilen Ufer der Windau ein Schloßberg erhebt. 1244 wurde nach der Zerstörung dieser alten Burg vom Ordensmeister Dietrich von Gröningen das große feste Schloß Goldingen oben bei der Rummel erbaut, in dem während der Ordenszeit die Goldinger Komture ihren Wohnsitz hatten. In nächster Nähe dieses Schlosses siedelten sich schon früh Deutsche an und legten den Grund zu einem städtischen Gemeinwesen, so daß Goldingen als die älteste Stadt Kurlands angesehen werden kann. Burg und Stadt Goldingen sind in alter Zeit oftmals von Litauern, Samaiten (im Nordwesten des Gouvernements Kowno wohn­haft) und Kuren überfallen und belagert worden. Als der livländische Ordensstaat im 16. Jahrhundert sich auflöste und Kurland unter dem letzten Ordensmeister Gotthard Kettler (1561—87) ein selbständiges Herzogtum wurde, brach für Goldingen eine Zeit der Blüte an, die trotz des großen Brandes im Jahre 1563 und der großen Pest von 1602, wo in der Stadt 4000 Menschen gestorben sein sollen, hundert Jahre lang währte. 1566 wurde hier Herzog Gotthard mit seiner

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Edgar Baumann: Im Gottesländchen. In Kommission bei Kluge und Ströhm [et al.], Reval [et al.] 1904, Seite 95. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:BaumannImGottesl%C3%A4ndchen.pdf/103&oldid=- (Version vom 21.8.2021)