Seite:Badisches Sagenbuch p 029.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

und gebrannt, anstatt auferbaut und gesegnet? Und wie der Hirt, so die Heerde. Wie manches Kloster, reichbegütert in den vaterländischen Gauen, lud Sünden auf Sünden und sank von seinem Reichthum in Armuth und Verachtung! Jetzt liegen die Trümmer dieser einst geheiligten Mauern verödet unter Disteln und Dornen, und wenn die Nacht ihren schwarzen Schleier über sie ausgebreitet hat, erheben sich die Geister jener Aebte und Mönche aus den verschütteten Grüften und wandeln ewig büßend über den Schauplatz ihrer Frevel und Verbrechen hin[1].

Von den Klosterzellen aber schlich der Böse auf die Burgen der Ritter, in die Schlösser der Fürsten. Er fand Eingang leider, fast überall. An wie manche dieser stolzen, kühnen Bauten klebte das Blut und der Schweiß des armen, gepeinigten Volkes! Habt ihr nie die Ketten gesehen mit den vermoderten Knochen in aufgegrabenen Burgverließen, wo einst die gefangene Unschuld verkümmerte? Oder nie die blutbesprizte Stelle, wo die verfolgte Jungfrau, freiwillig herabgestürzt in die rettende Tiefe, ihren Geist verhauchte?

Ja, von Sünden und Lastern genug sind diese Burgen und Schlösser Zeuge gewesen. Noch sucht der Schatzgräber die Stellen aus, wo einst ein hartherziger Burgherr den Raub von Wittwen und Waisen in eiserner Kiste unter das Erdreich seines Kellers verbarg. Noch zeigt man die dunkle Hohlgasse, wo einst der freche Junker mit seinen Gesellen auf Beute gelauert[2]. Keine Gegend könnt ihr nennen in unserem schönen Heimathlande, wo die Hand des Landmanns dem Wanderer nicht von einem Raubschlosse die Trümmer weist. Und überall in finsterer Mitternacht gehen sie noch um, die Burggeister, denen der strafende Himmel keine Ruhe des Grabes gönnt.

  1. Siehe z. B. die Sage von den Mönchen in Gottesau; Uhland’s „Das versunkene Kloster“ etc. im zweiten Bande dieses Werkes.
  2. Siehe z. B. die Sagen vom Falkenstein, S. 409 dieses Bandes, und andere.
    Anm. des Herausg.     
Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 1. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite XXIX. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_p_029.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)