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Rhenus, der menschenfreundliche, als er dies Gedeihen sah, drängte seine Fluthen noch weiter zurück vom Thalgelände, dämmte sie ein in noch engere Betten. Es verschwand der große See – nur blieb, zum ewigen Merkmal, das Becken des Bodensee’s[1].

Aus dem Schoos der Erde aber hatte Vulkan, kühn durch das Rheinbette herauf, den Kaiserstuhl getrieben, der – ein feuersprühender Inselberg, setzt mächtigeren Fuß in den Fluthen faßte, bis seine Gluht erloschen war und seine Wände sich begrünten, um das eine bald und bald das andere Ufer zu zieren.

Mehr und mehr, von frisch fließenden Wassern getränkt, von der Sonne Strahlen erheitert und erwärmt, von freundlichen Geistern gehütet, bedeckten sich die Ebenen des Rheinthals mit dem Schmucke des Grases, des Strauches, der Eiche und Buche; üppige Wiesen und Wälder dehnten sich aus; der Thalbewohner rückte seine Hütten und Dörfer bis an die Ufer vor – die Morgenröthe freundlicherer Zeiten ging auf über das weite, im ersten Jugendtrieb schwellende Thal.

Der schwarzgelockte, leichte, gesellige Kelte aber war’s, ein Sohn des Morgenlandes, welcher zuerst an den großen Rhein-See gekommen, welcher ihn zuerst befahren, an seinen Ufern die ersten Dörfer und Städte gegründet, den Bergen, Flüßen, Forsten und Fluren die ersten Namen gegeben. Und mit ihm sind die Genien seiner Heimath eingezogen in das Rheinthal, die unsterblichen Pfleger und Beschützer seines Erdendaseyns, holde, zarte weibliche Wesen – die Göttin Berchte


Bodens zu Tage geschürft worden und geben uns dunkle Kunde von einer paradiesischen Vorwelt, die auch von einem götterähnlichen Menschengeschlechte bevölkert gewesen seyn und erst durch die (von manchen Geologen angenommene) Verrückung der Erdachse sich in die uns bekannte, rauere Welt umgewandelt haben mag.
Anm. des Herausg.     
  1. Siehe das schöne Gedicht von Gustav Schwab: „Die Schöpfung des Bodensee’s“, Seite 1 dieses Bandes.
Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 1. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite XXIII. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_p_023.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)