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und lockten aus dem dunkeln Urwald – den Menschen herbei, den götterähnlichen.

Rhenus lächelte, und die Geister der Flüsse, der Bäche und Quellen, die das hercynische Waldgebirg ihm sendete und das voghesische, sie schwebten freudig von Ufer zu Ufer, wo der Mensch sich niederließ – schüzende, pflegende, beglückende Genien.

Da milderte sich des Menschen Gemüth, erweiterte sich sein Aug, übte sich mannigfaltiger seine Hand. Die schirmende Hütte hatt’ er längst gebaut, und der schnelle Fuß trug ihn leicht zum befreundeten Nachbarn; aber jenseits der Fluthen, am blauen, dämmernden Gestade – hatte dort sein Blick nicht gleiches Leben erspäht? Es regte sich die Sehnsucht – sie reichte weiter als die Kraft des Schwimmers, doch nicht weiter als der sinnende Kopf und die Kunst der geübten Hand. Bald befuhren Flöße und Kähne die Ufer und landeten am fremden Gestade, das dem kühnen Schiffer gastliche Ruhe bot und Erfrischung. Oder, hat auch damals schon die Habsucht den leichten Kahn mit blutiger Beute gefüllt[1]?

Dies war die Kindheit der Schiff-Fahrt aus dem Rheine, wo jetzt der stolze Dämpfer einher braußt und sich das schwere Frachtboot durch die Wogen drängt. Heute noch zeigt man längs der Vorhügel hin, hoch oben an Felswänden, die eingekeilten Eisenringe, welche einst statt des Ankers zum Anhacken der Schiffe gedient[2].


  1. Vergleiche die Sage von den Seeräubern auf dem Thurmberg, unter den Sagen von Durlach im zweiten Bande dieses Werkes.
    Anm. des Herausg.     
  2. Z. B. an den Felswänden beim Kukuks-Bad, zwischen Bollsweil und Kirchhofen im Breisgau. An den Thurmsteinen mehrerer Kirchen, die auf dem Hochufer des alten Rheinbettes liegen, will man ebenfalls solche Ringe gefunden haben. – – Uralte Sagen sprechen aber auch von einer Zeit, als lange, lange vor der Periode der Sündfluth, in unsern Gegenden und bis in den tiefsten Norden hinab, ein Klima, wie das der üppigen südlichen Himmelsstriche, waltete, und mit den Blumen und Früchten jener glücklichen Zone auch unsere Heimath gesegnet war. Ueberreste von Palmen, Datteln und anderen tropischen Erzeugnissen, von Säugethieren und Amphibien, die wir jetzt nur noch im Süden finden, sind aus den Tiefen unseres [XXIII] Bodens zu Tage geschürft worden und geben uns dunkle Kunde von einer paradiesischen Vorwelt, die auch von einem götterähnlichen Menschengeschlechte bevölkert gewesen seyn und erst durch die (von manchen Geologen angenommene) Verrückung der Erdachse sich in die uns bekannte, rauere Welt umgewandelt haben mag.
    Anm. des Herausg.     
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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 1. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite XXII. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_p_022.jpg&oldid=- (Version vom 5.1.2018)