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Diese Wunderbegebenheit war in kurzer Zeit überall bekannt und es zogen die Menschen von nah und fern, einzeln und in ganzen Schaaren, nach Walddürn; besonders in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts war das Zusammenströmen des Volkes zum Erstaunen groß, da die Anzahl der dahin Wallenden jährlich oft auf 40–50,000 sich belief; selbst das ferne Köln sandte seine Wallfahrer hierher. – So wurde Walddürn einer der bekanntesten Wallfahrtsorte, wie es, wenn auch nicht mehr so stark wie früher besucht, bis jetzt geblieben ist. Die Pfarrkirche, ein großes und schönes Bauwerk mit reichen Verzierungen und Einkünften, enthält in einer silbernen Kapsel das wunderbare Kelchtuch, wodurch dieselbe die berühmteste aller Badischen Wallfahrtskirchen wurde, doch ist von dem ehemaligen Bildnisse nur noch eine schwache Färbung zu erkennen.

J. A. Rueb.


Sagen von der Jörgenburg.

1. Als die s. g. Meerwiesen bei Walddürn noch mit schiffbarem Wasser bedeckt waren, stand auf dem darangrenzenden Schloßbuckel die Jörgenburg, welche später von den Fluthen verschlungen wurde. In dem noch vorhandenen Burgkeller liegt viel uralter Wein in der Haut[1], die er allmälig durch die Länge der Zeit, während die Fässer verfaulten und die Dauben abfielen, sich selbst gebildet hat. Auch große Schätze hält der Schloßbuckel verborgen; ein Mann, der spät in der Nacht dort vorbeiging, sah außen einige Kisten stehen, worauf der Teufel saß und den Schlüssel in der Hand trug.

(Nach mündl. Ueberlieferung mitgetheilt von Bernh. Baader in Mone’s „Anzeiger etc.“ Jahrg. 1839).

  1. Der Wein in der Haut ist eine ziemlich allgemeine Vorstellung des Volkes auch am Oberrhein, welches behauptete daß der Wein um sich selbst eine Haut ziehe, je älter er werde, so daß die Faßdauben vermodern und abfallen können, ohne daß der Wein aus seiner Haut ablaufe. Diese Ueberlieferung geht in die Zeit der Römer zurück, welche den Wein in ledernen Schläuchen und Beuteln aufbewahrten, woraus die Sage eine Weinhaut gemacht hat.
    Mone.     
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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 626. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_626.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)