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Und wenn sich nichts mehr reget im tiefen dunkeln Thal,
Da naht es sich der Mauer, dort wo der Felsen kahl
Hinausschaut zu dem tiefen und schauerlichen Teich,

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Und laut der Wind durchsauset das steile Bergbereich. –


Jüngst hat in einer Mondnacht der Wächter dies gesehn,
Der meldet schnell dem Ritter, was eben dort geschehn;
Wie der es hat vernommen, da wappnet er sich schnell,
Und eilet mit dem Knappen hin zur besagten Stell’.

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Der Ritter naht der Zinne, und sieht das Frauenbild,

Und schrecklich eine Ahnung erfüllt sein Herz so wild;
Ha! hätte sein Gemahl wohl gebrochen ihre Treu? –
Der Ritter stürtzt hervor schnell, – die Luft durchgellt ein Schrei,

Und vor dem Gatten flehend die Gattin niederfällt;

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Sein Blick ersprüht von Flammen, die Hand geballt er hält,

Schon zückt er auf die Arme sein mächtig Ritterschwert,
Doch rasch hat noch der Knappe den Mordstreich abgewehrt.

Und sie schaut wie ein Engel den harten Gatten an,
Die Augen auf den Ritter so bittend, flehend sahn:

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„O schone du der Gattin, die nicht dein Wort bedacht,

Und den Gefangnen Nahrung gespendet in der Nacht.“

Doch er rief zornerglühend zu seiner Frauen laut:
„Verruchte Natterbrut du! Du schnöde Satansbraut! –
Hast mein Gebot verachtet und nicht auf mich gehört,

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Empfang nun deine Strafe, du Weib, das mich entehrt!“


Er faßt sie mit den Armen, wenn auch mit aller Kraft
Sie, seiner sich erwehrend, verzweifelnd auf sich rafft;
Er wirft sie von der Höhe zum tiefen Teich hinab,
Dort hat sie bald gefunden ein kühles Wellengrab.

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Da donnern rings die Berge, es blitzt durch Thal und Wald,

Und aus des Donners Rollen herab die Stimme schallt:

Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 620. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_620.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)