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Gipfel eines steilen Berges am Neckar, vor den Eingang einer düsteren Höhle. Die Jäger folgten auch diesmal dem klugen Vorläufer, der sie noch niemals irre geleitet hatte, und zwar in die Tiefe der Grotte hinein, in deren Hintergrunde sie zu ihrer großen Ueberraschung drei weibliche Gestalten erblickten, welche betend auf den Knieen lagen. Die Jünglinge wähnten drei Heilige im überirdischen Glanze geistiger Verklärung vor sich zu sehen, doch bald überzeugten sie sich, daß diese nur Bewohnerinnen dieser Erde wären, die vom Schicksale verfolgt, hier einen Zufluchtsort gefunden hätten. Sie waren entsprossen aus dem berühmten Geschlechle der Ritter von Handschuchsheim, allein dieser alte Stamm war mit ihrem Vater ausgestorben und ihre Besitzungen dem Lehensherren wieder heimgefallen. Die Mutter ruhte schon längst im Grabe, und das geringe Erbtheil, welches den drei Schwestern noch übrig geblieben, hatte ihnen die Habsucht eigennütziger Menschen entrissen. Als verlassene Waisen, ohne Schutz und Hülfe, hatten sie sich nun vor den Nachstellungen arglistiger Verführer in diese abgelegene Felsenklause flüchten müssen, denn sie waren schön, und mit welchen Gefahren ist Schönheit nicht verbunden? Ein alter treuer Diener war den Jungfrauen gefolgt und sorgte, als Einsiedler verkleidet, für ihren Unterhalt; doch waren, in der tiefen Einsamkeit und gänzlichen Abgeschiedenheit von den Menschen, ihre sanften weiblichen Gefühle nicht erstorben, und die edlen Jünglinge machten denselben Eindruck auf sie, den die Jungfrauen auf jene gemacht hatten. Das unauflösliche Band reiner Liebe schloß sich in der Folge unter ihnen und knüpfte sich mit jedem Tage fester. Die drei Brüder erbauten auf jener Stelle eine stattliche Burg, und nannten sie Minneburg. Lange lebten sie dort mit ihren holdseligen Frauen im glücklichsten Vereine; erst viele Jahre nachher verschwand auch ihr Name aus den Registern der edlen Geschlechter des Neckarthals. Zum ewigen Gedächtniß ließen die Ritter das Windspiel, welches sie zu den Einsiedlerinnen geleitet hatte, in Stein aushauen. Noch vor wenig Jahren behauptete dieses Denkmal der Erkenntlichkeit seine Stelle auf dem hohen Portale über der Einfahrt zum Minneberg; allein rohe Hände haben es entwürdigt und an der Ziegelhütte unten im Thale bei dem Dörfchen Guttenbach,

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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 591. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_591.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)