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hier vorbeiführte, nach Stolzeneck eingeschlagen, während seine Leute auf der Heerstraße dahinzogen.

Kaum hatte sie dem bestürzten Bruder berichtet, wie sie hierher gekommen, als ihr Räuber herbeisprengte und, da er den fremden Ritter vor dem Thurme gewahrte, mit gezücktem Schwert auf ihn losstürzte. Es fehlte nicht viel, so wäre Ottmar dem wüthenden Angriffe des riesenkräftigen Gegners erlegen, doch noch gerade zu rechter Zeit, ehe sein Arm ermattete, flog Williswindens schwarzer Freund, der Rabe, an der Spitze eines unabsehbaren Schwarms seiner Genossen, mit betäubendem Krächzen auf den Räuber los, mit grimmigem Schnabelhacken, Krallen und Flügelschlagen über ihn herfallend, so daß er sich ihrer nicht zu erwehren vermochte. Schnell macht sich Ottmar den günstigen Augenblick zu Nutze und zischend fährt seine Klinge durch das tückische Herz des betäubten Feindes, der mit einem gräßlichen Schrei zusammensinkt. – Die Raben wichen nicht von seiner Leiche; gierig schienen sie sein Blut zu trinken, hackten ihm die Augen aus und rissen seinen Leib in Stücke.

Ottmar fand im Gürtel des Todten den Thurmschlüssel, öffnete das Gitter und kehrte im Triumph mit der theueren Schwester nach Stolzeneck zurück. Noch in unsern Tagen sieht man das Bild des getreuen Raben an einem Schwibbogen der Burgruine ausgehauen.

(Siehe Al. Schreiber’s Sagen aus den Rheingegenden etc.)


Jukunde von Stolzeneck.

Traurig sinnend saß Jukunde
Auf dem hohen Felsenschloß,
Lehrend ihre beiden Söhne –
Als es süß wie Lautentöne
Sich durch’s Maienthal ergoß:

5
„Oeffne Deine stille Wohnung,

Holde Herzenskönigin!

Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 582. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_582.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)