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erkannte der Kastellan in ihm jenen verdächtigen Pilger und beschwor seine Gebieterin, alle mögliche Vorsicht aufzubieten. „Gut,“ – erwiederte sie – „so will ich ihn nur in Eurer Gegenwart anhören.“

Der Ritter trat mit sittigem Gruß ein und erklärte ohne weitere Umschweife, daß er gekommen sey, um die Hand der reizenden Herrin von Stolzeneck zu werben. Williswinde schrack ob diesem überraschenden und seltsamen Antrage sichtlich zusammen, faßte sich aber schnell und erwiederte: „Ich stehe unter dem Willen meines Bruders, der aber schon seit langer Zeit abwesend ist. Sobald er jedoch wiederkehrt, mögt Ihr Eure Werbung bei ihm anbringen!“

„Ist das Euer erstes und letztes Wort, Fräulein?“ – fragte der Ritter mit verfinstertem Angesichte.

Williswinde flüsterte ein bebendes Ja, denn die düster rollenden Blicke des Unbekannten weißsagten ihr Unheil.

„Ich weiß recht gut,“ – höhnte der abenteuerliche Freier – „daß Frauen keinen eigenen Willen haben dürfen, sondern einem fremden folgen müssen.“ – Mit diesen Worten und einer kalten Verbeugung zog er sich zurück, schwang sich auf sein Roß, das sein Knappe im Schloßhofe bereit hielt und sprengte davon.

Dieser Vorfall hinterließ die schlimmsten Ahnungen in Williswinde und ihren Leuten. Sie berieth sich mit dem Kastellan und beschloß endlich auf sein Zureden, ihre Zuflucht in einem benachbarten Kloster zu nehmen. Tags darauf trat sie wirklich den Weg dahin an, nur von einem Knecht und einer Dienerin begleitet, um kein Aufsehen zu erregen. Der Pfad führte in einen einsamen waldigen Thalgrund. Plötzlich stürzte der gefürchtete Ritter mit einigen seiner Buben aus einem Hinterhalte hervor, schlug den Knecht, der seine Herrin vertheidigen wollte, zu Boden und schleppte sie gebunden in einen uralten Thurm dicht neben an, dessen Eingang ein eisernes Gitter verschloß.

„Nach zwei Tagen will ich wieder Antwort holen, sprödes Fräulein!“ lachte der Wilde grimmig, den knarrenden Schlüssel drehend, und jagte mit seinem Trosse und der gefangenen Dienerin, die Einer davon vor sich aufs Pferd genommen hatte, von dannen.

Williswinde warf sich in dem dunkeln feuchten Raume auf

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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 580. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_580.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)