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Der Wolfsbrunnen bei Heidelberg.
(Andere Version.)

Sinnend unter Buchenbäumen
Jetta saß, die Seherin,
Saß vertieft in ihren Träumen,
Blickte traurig vor sich hin.

5
Und zu ihren Füßen spielte

Kieselklar ein frischer Quell;
Jutta, warum du so düster,
Und die Quelle doch so hell?

Fraget nicht, sie hat gelesen

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In den Runen ihr Geschick.

Heiter war sie einst gewesen;
Ach, zerstört nun ist ihr Glück!
Fluch dem Blick in künft’ge Tage!
Unglücksel’ge Seherin!

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Hast dein Todesloos erspähet!

Deine Ruhe ist dahin!

So, in Träume hingesunken,
Hörte sie den Jüngling nicht,
Der, die Aeste vor sich theilend.

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Aus dem Buchendunkel bricht;

Sah nicht, wie er, tief erschüttert,
Stille steht vor ihrem Bild,
Wie vom Götterstrahl getroffen,
Wie von Himmelslust erfüllt!

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Und so stand der Jüngling lange,

Bis sie, aus dem tiefen Traum
Aufgewacht, nach Oben schaute
Zu dem blauen Himmelsraum.
Da, geheimnißvoll durchschauert,

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Fiel auf ihn ihr Seherblick,

Und von höh’rer Lust ergriffen
Fuhr er gluthentbrannt zurück:

Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 550. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_550.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)