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Der Riesenstein.

Wo lockend das edele Heidelberg liegt,
Sich gastlich am grünlichen Neckar hin schmiegt;

Da lagern viel stattliche Berge gethürmt,
Von brausenden Winden und Wettern umstürmt.

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Noch prangete nicht auf dem Berge das Schloß,

Nur’s Städtlein sich thalwärts zum Neckar ergoß.

Die milderen Lüfte, das üppige Grün,
Das Rauschen der Wasser, im Thale das Blühn,

Das hatte den Riesen gelockt und verführt,

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Der einen der Berge zur Wohnung erkührt.


Und als er zum erstenmal hält seine Rast,
Sieht’s Städtlein mit Graun den unheimlichen Gast;

Er steht auf der Kuppe des Berges dort,
Den Sohn auf dem Rücken an sicherem Ort.

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Gewanderrt seyn mußt’ er aus fremdem Land,

Gar seltsame Pflanzen trug seine Hand;

Mit Nägeln gar scharf gräbt er ihnen ein Grab,
Und senket die Wurzeln der Reben hinab.

Es wandert der Alte oft einsam aus,

20
Und läßt den blühenden Knaben zu Haus;


Der thut dann zum lustigen Zeitvertreib
Den Schiffern im Neckar viel arges Leid.

So oft sich ein Segel den Bergen naht,
Da sinnt schon der Erzschelm auf bösen Verrath;

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Reißt kichernd den mächtigsten Felsblock los,

Und schleudert ihn leicht in der Wasser Schooß.

Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 543. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_543.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)