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Auf dem Schlosse zu Heidelberg.
(Im Julius 1814.)

Es zieht ein leises Klagen
Um dieses Hügels Rand;
Das klingt wie alte Sagen
Vom lieben teutschen’ Land.

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Es spricht in solchen Tönen

Sich Geistersehnsucht aus:
Die theuern Väter sehnen
Sich nach dem alten Haus.

Wo der wilde Sturm nun sauset,

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Hat in seiner Majestät

König Ruprecht einst gehauset,
Den der Fürsten Kraft erhöht;
Sänger kamen hergegangen
Zu dem freien Königsmahl,

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Und die goldnen Becher klangen

In dem weiten Rittersaal.

Wo die granitnen Säulen
Noch stehn aus Karl’s Palast,
Sah man die Herrscher weilen

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Bei kühler Brunnen Rast.

Und wo zwei Engel kosen,[1]
Der Bundespforte Wacht,
Zeigt uns von sieben Rosen
Ein Kranz, was sie gedacht.

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Ach! es ist in Staub gesunken

All der Stolz, die Herrlichkeit!
Brüder, daß ihr letzter Funken
Nicht ersterb’ in dieser Zeit,
Laßt uns hier ein Bündniß stiften,

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Unsre Vorzeit zu erneu’n

Aus den Grüften, aus den Schriften
Ihre Geister zu befrei’n.



  1. [540] Ruprecht III., Römischer König, erbaute 1400 den Theil des Schlosses, der jetzt noch seinen Namen trägt, und dessen vordere Wand sich noch bis heut erhalten hat; mehrere historische Merkwürdigkeiten befinden sich an derselben, als: der einfache Reichsadler, das [541] alte pfälzische Wappen, und vor allem die Verzierung über dem Haupteingang dieses Bau’s: Zwei Engel halten einen Kranz von sieben Rosen, in dessen Mitte sich ein aufrecht stehender Zirkel befindet.
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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 538. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_538.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)