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5.
Trutzkaiser.
(1474.)

„In diesen schlimmen Zeiten wer baut mir einen Thurm,
Darin mein Haupt kann ruhen bei Hagel und bei Sturm?
Der Hagel schlägt die Saaten; die meinen sind der Ruhm,
Die schlägt so leicht kein Hagel, kein Sturmwind wirft sie um!

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Wo ist der kundige Meister, der solchen Thurm mir bau’?

Der starr und unbezwinglich aufs Land herniederschau’?
So wie im Sonnenlichte aufs Volk der Herrscher blickt,
So sey der Thurm ein König, der sich vor Niemand bückt!“

So sprach der Pfälzer Kurfürst, da trat ein Both’ herein,

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Der brachte Plän’ und Risse, ihm folgte hinterdrein

Ein andrer Both’ in Eile, der trug ein Pergamen,
Blaß waren seine Wangen vom schnellen Ritt zu sehn.

Der Kurfürst nahm die Rollen und las mit raschem Blick,
Und rief: „Hier mag man schauen, wie launig das Geschick!

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Ich prüfe Plän und Risse zum Thurm und zum Verließ,

Mein Feind, der Kaiser aber macht mir im Plan ’nen Riß.

Das nenn’ ich viel gewogen auf ein geringes Blatt,
Kurfürst soll mich nun nimmer benennen Land und Stadt,
Ein Brief besiegt den Degen, den nie bezwang die Schlacht;

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Dies Blättchen, schwarzbeschrieben, legt mich in Reiches-Acht!“


Er wiegt das leichte Blättchen, der Degen unverzagt,
„Ei!“ – ruft er dann mit Lächeln, – „Das hab’ ich stets gesagt:
Es sind gar schlimme Zeiten, wenn solch ein Wetter droht,
Da sucht ein armer Kriegsmann ein Häuslein in der Noth.

Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 514. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_514.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)