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Gegenwehr vermehrte die Wuth der Feinde. Jeder Tag gebar neues Entsetzen. Der mörderische Kampf dauerte drei volle Wochen – endlich fiel die unglückliche Festung in die Hände der Bayern, und Tilly’s Augenweide, der rothe Hahn, schwang seine Flügel über die Dächer Mannheims.

Liesbeth stand wieder am Fenster, die Züge mit Leichenblässe übergossen. Eben brachten die Soldaten einen Verwundeten in das Zelt, das nächst der Hütte aufgeschlagen war. Auf dem Angesichte der Krieger lag Trauer um den geliebten Hauptmann; eine Kugel hatte ihm das rechte Bein zerschmettert. Wenige Stunden nachher wurden Hamm und Liese in das Zelt gerufen. Der Hauptmann lag noch angekleidet auf einem Schragen, um ihn standen einige Freunde, sein Diener saß am Untertheil des Bettes und barg das verweinte Antlitz in die faltigen Decken.

„Tretet näher, gute Leute!“ – sprach der Hauptmann mit matter Stimme, – „der Unfall, der mich heute betroffen hat, ruft mir die alte Lehre in’s Gedächtniß, daß man nichts zu lang aufschieben solle, denn ungewiß ist uns die nächste Stunde. Hört, was ich euch erzählen will.

Die nächste Woche wird’s gerad’ zwei Jahre, daß wir bei Prag den weißen Berg erstürmten, auf dem sich die Böhmen mit den Pfälzern gelagert hatten. Die Schlacht war kurz, doch sank ich im Gedränge, von einem Kolbenschlag auf’s Haupt getroffen. Dicht an meiner Seite fiel ein Pfälzer, von meiner Hand verwundet. Wir wurden Beide, als die Schlacht gewonnen war, in’s Hospital getragen und kamen durch ein Spiel des Zufalls nebeneinander zu liegen. Der Pfälzer genaß in wenigen Wochen, auch meine Wunde war bald geheilt, aber nun überfielen mich plötzlich die fürchterlichsten Kopfschmerzen. Mein Zustand glich dem eines Wahnsinnigen. In einem Anfall solcher Raserei sprang ich an’s Fenster, mich hinauszustürzen. Schon hatte ich mich auf das Gesims geschwungen und war des Todes sicher, hätte nicht der Pfälzer, der mir nachgeschlichen, mich gepackt und zurückgerissen. Von diesem Augenblick an hielt er an meinem Krankenlager beständig Wache, er pflegte mich wie der wackerste Kamerad; bald war ich genesen, und weil ich ihm das Leben dankte, behielt ich ihn als treuen

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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 447. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_447.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)