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Der alte Hamm sah sich nun allein, verlassen von aller Welt, ein hülfloser Greis, und wünschte gleichfalls zu sterben. Da kam Liesbeth in der Tiefe ihres eigenen Schmerzes zu ihm, versuchte ihn zu trösten, entschloß sich bei ihm zu wohnen, ihm bei seiner Arbeit zu helfen und nach ihren Kräften die verlorene Stütze zu ersetzen. Ihre fleißigen Hände schafften bald eine bessere Ordnung in die Hütte und in den kleinen Haushalt; sie pflegte den alten Hamm mit der kindlichsten Sorgfalt, nannte ihn Vater, verkaufte die Fische, die er fing, spann nebenher zierliches Garn, flocht Netze zum Verkaufe und den Sommer über prangten im Gärtchen die herrlichsten Rosen auf weit und breit, aus welchen sie manchen schönen Batzen auf dem Markte löste. Ueberhaupt schien Gottes Segen ihren Fleiß zu lohnen; die Dürftigkeit schwand immer mehr aus der Hütte, Zufriedenheit wohnte unter dem stillen Dache, nur dem Andenken des verschollenen Bastians floßen zuweilen stille Thränen. Ob er noch lebe oder den Tod gefunden, darüber kam nirgendsher Kunde; nur so viel verlautete, daß er mit nach Böhmen habe ziehen müssen. Die Nachrichten aus diesem Lande klangen für die Pfälzer nichts weniger als erfreulich; die Schlacht am weißen Berge war bereits verloren, Friedrichs Heer zerstreut, der Kurfürst ein Flüchtling geworden. Ereignisse von der höchsten Wichtigkeit stunden in drohender Aussicht. So verstrich ein trübseliger Winter. Mit dem ersten Frühlingshauch aber grünte Hamms Gärtchen wieder, die Rosen trieben hoffnungsvolle Knospen, Liesbeth wartete der zarten Erstlinge mit emsiger Sorgfalt und dankbar lohnte ihr diese mit dem reichsten Blüthenflore.

Eines Morgens weckte den alten Hamm verworrenes Getümmel aus der Ferne. Erschrocken stund er auf und trat vor die Hüttenthüre: die ganze Gegend wimmelte von Soldaten. Die Bayern hatten in jener Nacht unter Tilly’s Anführung die Festung Mannheim eingeschlossen und die Landstraße war bedeckt mit Geschützen und Fouragewagen, die noch nachkamen. Da stand der Greis wie vor einem unvermeidlichen Abgrunde und dachte: nun ist Alles verloren; es ist zu spät, noch in die Stadt zu flüchten; die wilden Kriegsschaaren werden auch diese Stelle nicht verschonen und mir Alles zerstören – ach! und

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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 445. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_445.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)