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Mingolsheimer dem Feldstück den Namen Reut, weil ihre Gutmüthigkeit sie gereut hat.

(Siehe Mone’s „Anzeiger für Kunde der teutschen Vorzeit.“ Jahrg. 1839.)


Glocke läutet von selbst.

Als die Grünwettersbacher vom katholischen zum lutherischen Glauben abgefallen waren, wollten sie das Geläute Mittags um 12 Uhr abstellen, allein die Kirchenglocke läutete, mehrere Tage nacheinander, um diese Stunde von selbst, worauf das Geläute wieder eingeführt wurde, welches auch noch heute fortbesteht.[1]

M.


Sagen vom Thurmberge bei Wolfartsweier.

1. Auf diesem Berge hat vor Zeiten eine Burg gestanden, von der jetzt nur noch der Graben und einiges Gemäuer übrig ist. Darin hausten, als die Thalgegend umher noch eine weite Wasserfläche war[2] Seeräuber, deren Abkömmlinge Ritter wurden. – Von der Burg ging übers Gebirge eine gute Fahrstraße nach dem Durlacher Thurmberg; ihre Spur heißt heute noch der Rutschenweg.

2. In dem Gewölbe unter den Schloßruinen liegt ein großer Schatz verborgen, wegen dessen alle sieben Jahre, wenn die Maiblumen blühn, eine weiße Jungfrau dort erscheint. Ihre rabenschwarzen Locken sind gewöhnlich in zwei lange Zöpfe geflochten; das schneeweiße Gewand umschließt ein goldener Gürtel, an der Seite hängt ihr ein Gebund Schlüssel[3] und in der Hand trägt sie einen Strauß Maiblumen. Gewöhnlich erscheint sie unschuldigen Kindern, und sie winkte einst deren einem vom Graben her, zu ihr herüberzukommen. Das Kind lief aber voll


  1. Daß Glocken von selbst läuten, kommt in manchen Sagen und Legenden vor, nicht nur bei uns, sondern bei andern Völkern, z. B. in Spanien bei der Glocke von Velilla. Die Glocken wurden nämlich als Personen gedacht, wie ihre Taufen und Inschriften (z. B. die Glocke Susanne in St. Georgen auf dem Schwarzwalde, S. 445 des 1. Bandes) anzeigen, und darum unterlegte man ihrem Geläute auch einen Sinn.
  2. Vergl. mit Nr. 2 der Sagen vom Durlacher Thurmberg.
  3. [373] Wenn die weiße Frau in mehreren Sagen mit dem Monat Mai, mit Mai- oder anderen Blumen in Verbindung gebracht wird, so könnte sie wohl eine dunkle Erinnerung an die alte Göttin Wunna seyn, und der Schlüsselbund wäre von der Göttin Ostar entlehnt, da diese dem Monat April entspricht, welcher den Namen von aperiere, scil. terram, (erschließen, nämlich die Erde) haben soll.
    (Mone).     
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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 372. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_372.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)