Seite:Badisches Sagenbuch II 354.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Und neugestachelt von der Wuth
Und der Verzweiflung Grimme,
Folgt Berthold mit der Rache Gluth

160
Der grausen Würgerstimme.


Mit seinem Schwert haut er sich sach
Bahn durch’s Gestrüpp, bis helle
Auf Einmal aus dem Dunkel brach,
Das Lichtlein der Kapelle;

165
Er eilt dahin, geschwind, geschwind,

Sein Herz voll Reu’ und Buße,
Und sieh, da schläft sein theures Kind
An des Altares Fuße!

Still lag’s wie in der Liebe Schooß,

170
In goldner Strahlenhelle,

Sanfthüllend schlang sich weiches Moos
Um seine Schlummerstelle.
Mit ihm schien des Erlösers Bild
Der Unschuld Ruh zu theilen,

175
Der Gnadenmutter Blick so mild

Auf seiner Stirn zu weilen.

Und Berthold faßt die Wonne kaum
Kaum traut er seinen Sinnen,
Ihm bangt, es möchte wie ein Traum

180
Das Bild vor ihm zerrinnen;

Er drückt das Kind an’s Vaterherz;
Nein, ’s ist kein leeres Wähnen!
Zum erstenmale schmilzt sein Herz
In heißer Andacht Thränen.

185
Zu dem Madonnabild empor

Hebt betend er die Kleine,
Und seiner Seele Nebelflor
Weicht vor dem Himmelsscheine:
„O Mutter Gottes, sieh mit Huld

190
Den Sünder vor dir knieen,

Ist’s möglich noch, so sey die Schuld,
Die schwere, mir verziehen!

Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 354. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_354.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)