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So winkt im Sturm der Erdenwelt

Des Himmels Friedenshafen;
Doch wilder noch, vom Zorn geschwellt,
Erglüht die Brust des Grafen.

„Ha!“ – rief er – „Schmach dem eitlen Wahn!“

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Und feine Augen blitzen –

„Ihr betet falsche Mächte an,
Seht jetzt, ob sie euch schützen!
Seht, ob das Bild, das ihr verehrt,
Wohl euer Leiden räche,

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Wenn nicht mein gutes Heldenschwert

Ersetzt des Gottes Schwäche!“

Wild jagt er seiner Schaar voran,
Fliegt mit entflammtem Blicke
Den Hügel seiner Burg hinan,

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Dumpf donnerte die Brücke.

Da naht Luitgarde todtenbleich
Kaum fähig sich zu regen:
„Bringt ihr das Kind?“ – ruft geisterbleich
Dem Gatten sie entgegen.

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Und schaudernd jetzt der Vater hört

Aus ihrem blassen Munde,
Allmälich schrecklicher erklärt,
Die grauenvolle Kunde:
Daß heute früh sein Töchterlein,

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Die liebliche Mechtilde,

Verloren habe sich hinein
Tief in des Forstes Wilde.

„Schon haben Knechte weit und breit“ –
Spricht sie, – „den Wald durchflogen,

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Doch war das meiste Jagdgeleit

Mit dir schon ausgezogen.
O Gott der Gnade, Gott der Huld!
Du Vater voll Erbarmen!
Riß etwa meiner Sünden Schuld

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Das Kind aus meinen Armen?
Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 352. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_352.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)