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leichte Dienste verrichten. – Die Aebtissin hat nur unsere Rettung im Auge.“

Nach langem Nachsinnen befahl der Ritter von Fürstenzell seiner Tochter das tiefste Schweigen über das Begebniß an. Er wolle die Nacht über mit sich selbst zu Rathe gehen, was in dieser bedenklichen Lage zu thun seyn möge.

Auf der Burg Fürstenzell fand einige Tage später ein glänzendes Bankett statt, welches Diether von Malsch den Edlen aus der Nachbarschaft gab. Bei Tafel herrschte die ungebundenste Lust, als plötzlich ein Diener, bleich und athemlos, mit der Nachricht hereinstürzte, der Geist des alten Kurt von Fürstenzell lasse sich in der Burgkapelle blicken. Grauen überfiel alle Gäste und mehrere derselben dachten schon an einen schleunigen Rückzug. Diethers Blicke waren starr nach der Thüre des Saales gerichtet. Diese öffnete sich leise und herein trat der Pilgrim. Sein leichenblasses Antlitz, seine von Leiden gefurchte Stirn und Wangen, die spärlichen weißen Locken und der lange wirre Bart gaben ihm auch in der That das Ansehen eines so eben der Gruft Entstiegenen. Die Ritter waren fast alle wie zu Stein erstarrt ob diesem unheimlichen Anblicke. Langsam schritt der Pilgrim die Tafel entlang bis zu dem Stuhle, wo der bebende Diether saß, legte diesem die Hand auf die Schulter und rief mit donnernder Stimme: „Räuber meines Eigenthums! Mörder meiner Elsbeth! Die Stunde der Rache hat für mich geschlagen!“ – Diethers Blut gerann zu Eis, sein Haar sträubte sich empor, er wollte aufspringen und fliehen, fiel aber vom Stuhle zu Boden und war eine starre Leiche.

„Gott, ich danke dir! Du hast gerichtet!“ – rief jetzt der Pilgrim mit gefalteten Händen; hierauf, zu den anwesenden Rittern gewendet, sprach er: „Kennt Ihr mich nicht mehr? Seyd ihr nicht größtentheils meine alten Waffengefährten? Wunderbar hat mich der Herr gerettet aus Elend und Irrsalen aller Art!“ – Er erzählte nun, wie es ihm ergangen, und Alle freuten sich aufrichtig seiner glücklichen Heimkehr und hingen ihm von nun an als die treuesten Freunde an.

Aloys Schreiber.
(Siehe Dessen „Sagen aus den Rheingegenden etc.“)
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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 336. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_336.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)