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besitzen, seinen Racheschwur lösen zu können. Aber in keines Menschen Brust hatte seine Vorsicht das Geheimniß seines Herzens niedergelegt, Niemand ahnte die schwarzen Gedanken, über denen seine Seele brütete. Jeder wähnte, die Zeit habe das Andenken an sein Mißgeschick in ihm ausgelöscht und er liebe nun das friedliche Leben der Mönche.

Die Herren von Eberstein waren Schirmvögte des Gotteshauses Herrenalb, und dieses Amt führte den Grafen Eberhard öfters in das Kloster. Als er bei solch einer Gelegenheit bei den Mönchen das Mittagsmahl einnahm, kam das Gespräch unter Anderm zufällig auf seine Familie, und Eberhard erwähnte hierbei mit sichtlichem Wohlgefallen seiner einzigen Tochter, pries die Anmuth ihrer Gestalt und die Vorzüge ihres Verstandes, und leichthin konnte man an der Wärme, womit er sprach, abnehmen, daß dieses Kind der Stolz und die Freude seines Lebens sey. Diese Rede weckte in dem Abte furchtbare Rachegedanken. Noch war er nicht mit sich einig gewesen, wie er seinen Feind am Schmerzhaftesten treffen könne; aber jetzt ward es ihm plötzlich klar, wie er sich an dem Grafen rächen, wie er dessen Herz und Stolz verwunden wolle. Die Tochter mußt’ er verderben und dadurch dem Vater den Todesstoß versetzen.

Durch Kundschafter erfuhr er, daß die junge Gräfin Agnes öfters diesseits der Murg lustwandle. Vermummte lauerten eines Tages der Arglosen auf, ergriffen sie und während der Nacht ward sie unbemerkt ins Kloster in sicheren Gewahrsam gebracht. Mit eben so viel Bosheit als List war der Plan zum Verderben der schönen Agnes angelegt.

Ein verschmitzter, vertrauter Knecht des Abtes erschien im Mönchsgewand im Gemach der Gefangenen. Er sagte zu dem angsterfüllten Mädchen, er sey der Vorsteher des Klosters, und habe, von heftiger Liebe zu ihr entbrannt, dem Drange seines Herzens nicht länger widerstehen können, sie gewaltsam entführen und ins Kloster bringen zu lassen. Er bedaure, wenn er ihr Kummer verursache, allein es stehe nur bei ihr, sich durch ihre Gunst die Freiheit zu erkaufen. Wie vorauszusehen, war eine verächtliche Abweisung der Bescheid auf diesen schamlosen Antrag. Der verkappte Mönch entfernte sich mit dem Bemerken,

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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 328. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_328.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)