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versprach, sich selber dem Ehrengeleit in die Kirche anzuschließen. Aber am nächsten Morgen lastete schon die kalte Hand des Todes auf seinem sündigen Herzen, und als Klärchen und ihr Bräutigam den Segen des Priesters am Altar empfingen und aus der Kirche gingen, lag der Burgvogt auf der Bahre, mit dem Leichenhemd aus Nesseln angethan.

(Siehe Al. Schreiber’s „Sagen aus den Rheingegenden“ etc.)


Des Nesselhemd.
(Andere Version.)

„Schämt Euch, Herr Vogt von Eberstein!
Statt auf des Volks Beglückung,
Sinnt Ihr auf nichts, als nur allein
Auf dessen Unterdrückung!

5
Voll Geiz und Wollust übt im Land

Ihr alle Tyranneien;
Gott wolle bald aus Eurer Hand
Uns gnädiglich befreien!“

„Oho, mein sprödes Jungfräulein!

10
Mit dir ist bös zu minnen!

Nun gut – kann ich durch Schmeichelei’n
Dein Herzchen nicht gewinnen,
So will ich gerne deine Gunst
Nicht mehr zu fesseln sinnen,

15
Kannst du für mich mit deiner Kunst

Ein Hemd aus Nesseln spinnen!“

Er läßt bestürzt das arme Kind,
Und ihre Thränen rinnen:
„O Gott, wie kann ich so geschwind

20
Ein Hemd aus Nesseln spinnen?“

Da schwebt herbei im Abendlicht
Die niedlichste der Elfen,
Und spricht. „Christinchen, weine nicht!
Ein Schutzgeist will dir helfen.

Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 303. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_303.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)