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Eilig und nur mit wenig Begleitern floh Markgraf Wilhelm seiner Residenz zu, immer seine Feinde dicht hinter sich. So kam er allein bis in das Thal von Oberbeuern, wo sein Pferd todt unter ihm niederstürzte. Zum Tode müde, vermochte er seine Flucht nicht weiter fortzusetzen. Er trat jezt in ein am Wege stehendes Haus, gab sich zu erkennen und forderte die Bewohner desselben auf, ihm zu seiner Rettung behülflich zu seyn. Der Hauseigenthümer war der Stabhalter des Thals, und alsbald sorglich bereit, seinen Fürsten von der Gefangenschaft zu retten. Während sie noch über die zweckdienlichsten Mittel sich beriethen, kam ein Junge nach Haus mit der Nachricht, daß ein Trupp schwedischer Reiter das Thal herauf käme und alle Wohnungen untersuche. Jetzt galt kein Säumen mehr; doch während der Landmann besorgt nach einem Ausgang umher spähte, ward er einen schmutzigen, stummen Wagenschmierer gewahr, den er zuweilen bei sich rasten ließ. Schnell stieg jetzt ein Gedanke in ihm auf, den er eben so schnell zur Ausführung brachte. Der arme Stumme mußte sich sogleich entkleiden und in der Tracht eines der Söhne aus dem Hause sich entfernen, aber sein Fäßchen zurücklassen. Hierauf wurden dem Markgrafen die schmutzigen Kleider desselben angelegt, sein Gesicht geschwärzt und ihm die Ofenbank zum Lager angewiesen, wo er die Rolle des Stummen spielen sollte. Kaum waren die Anordnungen getroffen, so stürmten auch schon die feindlichen Reiter herein. Sie durchsuchten das ganze Haus bis in die hintersten Winkel; auch den Schlafenden auf der Ofenbank rissen sie herum und fragten, wer und was er sey. Man sagte ihnen, daß er ein armer Stummer sei, der mit Wagenschmiere handle, und hier aus Barmherzigkeit eine Schlafstelle finde; seine Heimath sey das Murgthal. Damit gaben sich die Reiter zufrieden, holten aber aus dem Stalle noch ein Kalb, welches sie am Feuer zurecht machten und verzehrten.

Am andern Morgen zeigte der Bauer dem Fürsten den Weg übers Gebirge nach Forbach, und geleitete ihn bis an die Leimenlöcher. Glücklich entkam der Markgraf abermals nach Innspruck, von wo aus er sogleich durch ein reiches Geldgeschenk sich dankbar gegen seinen Retter bewies. Nachdem er wieder in den ungestörten Besitz seiner Markgrafschaft gekommen war,

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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 254. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_254.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)