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wurde. Als die Zeit heran kam und der Sarg in die Burgkapelle getragen werden sollte, fand man das Mädchen, aufs Neue von frischem kräftigem Leben durchglüht und in all ihrer Schönheit Reizen blühend, aufgerichtet auf der Bahre sitzen. Kaum vermochte der Ritter, bei diesem unheimlichen Anblick, die Bitte hervorzustammeln, ihm dies wunderbare Räthsel zu lösen.

„Ich gehöre schon längst dem Reiche der Todten an;“ – erwiederte das geheimnißvolle Wesen, – „aber der Spruch des ewigen Richters hat mich verurtheilt, keine Ruhe zu finden im stillen Grabe, zur Strafe, daß mein grenzenloser Leichtsinn, – der mich stets dazu trieb, die Eifersucht meines Verlobten zu erregen, um mich daran zu weiden, – seinen Tod durch die Hand eines Nebenbuhlers verursachte. Jeglichen Abend, sobald die Sonne hinter die Voghesen gesunken ist, erwache ich in meiner kühlen engen Behausung, die sich dann zu öffnen pflegt, und ich muß hinaus und mich im Gefilde herumtreiben bis Mitternacht, um welche Zeit ich in das Grab zurückkehren darf, das sich alsbald wieder über mir schließt. Wollt Ihr meiner irrenden Seele die ewige Ruhe verschaffen, Herr Ritter, so baut ein Kloster auf der Stelle, wo Ihr mich zuerst beim steinernen Kreuze gefunden, und wendet Euch selbst von den eitlen Freuden dieser Erdenwelt zum Reiche Gottes!“

(Al. Schreiber’s „Sagen aus den Rheingegenden etc.“)


Die Hauenebersteiner Glocke.

In der Nähe des Dorfes Haueneberstein ward vor Zeiten von Wildebern eine Glocke am Ufer des Eberbaches aus dem Boden gewühlt. Die Dorfbewohner fanden sie und hängten sie in ihren Kirchenthurm. Als sie geläutet wurde, war ihr Klang so hell und stark, daß man ihn zwölf Stunden weit, in Straßburg, hörte. Nun wollten die Straßburger gerne dieselbe haben und boten dafür so viele Thaler, als sich von der Glocke oben im Thurme bis an die Banngrenze des Dorfes, in einer zusammenhängenden Reihe, würden legen lassen. Die Hauenebersteiner gingen jedoch den Handel nicht ein, und um

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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 237. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_237.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)