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Gesichert ist der Todten Frieden,

Gewahrt der Gottesbräute Schaar;
Manch obdachlosem Flüchtling bieten
Sich gern des Klosters Räume dar.

Gerhard Helfrich.


Die Stiftung des Waisenhauses in Lichtenthal.

Ein Wanderer begrüßte froh die Flur
Der unvergeßlich theuern Heimath wieder;
Im Rosenglanz erglühte die Natur,
Die Abendsonne glitt am Berge nieder;

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Es ruht sein Blick auf Thal und Höhen trunken,

In Bilder seiner Knabenzeit versunken.

Mit Wonnestrahlen sein Gesicht verklärt
Der Anblick seiner heimathlichen Gauen:
„Hab’ Dank, o Gott! daß du mir noch gewährt,

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Dich wieder, theures Jugendland, zu schauen!

Hängt doch, mit seinen innigsten Geweben
An dir, o Heimath, meines Herzens Leben!“

Und in begeistertem Gebete wallt,
Dem lichten Himmel sein Gemüth entgegen;

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Horch, da mit einem Mal ein Glöckchen schallt,

Vom Wege her zum frommen Abendsegen;
Er naht, und vor ihm steht, erleuchtet helle
Vom letzten Sonnenglanz, die Waldkapelle.

Und drinnen kniet ein Knäblein wunderhold,

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Gefaltet zum Gebet die zarten Hände;

Sein thränend Aug’ erglänzt im Abendgold,
„Was will das Kind? Vom Himmel eine Spende?
Ach! finden Sorgen, Leiden, Noth und Schmerzen
Schon Raum im ahnungslosen Kinderherzen?“

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Der Wanderer zum Kinde tritt heran

Und spricht mit sanftem Wort: „Hör’ auf zu weinen!

Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 226. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_226.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)