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Des höchsten Friedens Weihetag

Erblüht in Christi Nähen. –

Und als nach raschen Monden war
Das Bild der Schmerzen fertig,
Froh küßt er’s, aller Sünde baar,

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Des nahen Tods gewärtig.

Jetzt drängt sich’s durch die Kerkerthür,
Ist’s, ihn zum Grab zu leiten?
Da sieht an seinem Werk herfür
Den Fürsten selbst er schreiten.

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Wohl alle Blicke sind gewandt

Bewundernd nach dem Bilde,
Doch Markgraf Karl reicht seine Hand
Dem Künstler voller Milde:
„Der jüngst verübt die blut’ge That,

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Lag schon in Todesbanden,

Doch Der solch Bild geschaffen hat,
Den heiß’ ich auferstanden.

„Drum wo in solches Himmelslicht
Ein Geist sich durft’ erheben,

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Tödt’ ich den ird’schen Leib auch nicht, –

Nimm frei zurück dein Leben!“
Lang schweigt der Jüngling, es entquillt
Dem Aug’ der Rührung Zähre,
Dann blickt voll Demuth er zum Bild:

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„Dem Mittler dort die Ehre!“


Weit drang des großen Meisters Ruf;
In nah und ferne Gauen
Manch herrlich Werk der Künstler schuf,
Das heute noch zu schauen;

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Doch keines hebt sich bis zu dir,

Umspielt von heil’gem Strahle,
O Kreuz, du ernste Friedhofszier,
In Badens Wunderthale!

Gustav Mühl.
(Zu Straßburg.)
Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 198. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_198.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)