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ziemlich verloren und nur sehr bejahrte Leute der Gegend wissen noch davon zu erzählen.

(Siehe „Sagen aus Baden und der Umgegend.“ Karlsruhe, 1834.)


Das Kreuz auf dem Friedhofe.

Markgraf Karl hatte um das Jahr 1462 mit einigen geistlichen und weltlichen Fürsten einen Bund geschlossen gegen die heilichen westphälischen Gerichte, obgleich unter seinen eigenen Räthen sich einige Wissende befanden, wovon er jedoch nichts ahnte. Da fand man eines Morgens an dem Thore des Schlosses zu Baden einen Brief angeschlagen, worin Markgraf Karl vor den heimlichen Richterstuhl zu Walldorf vorgeladen wurde. Darob entstund bei Hof und in der Stadt große Bewegung und man forschte streng nach dem Thäter. Unter Andern wurde auch ein Fremder eingezogen, der sich des Nachts aus seiner Herberge heimlich entfernt hatte und erst gegen Morgen wieder dahin zurückgekehrt war. Dieser sagte im Verhör aus, er sey ein reisender Bildhauer, Meister Niklas mit Namen, und es wandle ihn manchmal des Nachts die Lust an, im Freien umher zu schweifen und seinen Gedanken nachzuhängen. Diesmal sey er, ohne zu wissen wie, auf den Kirchhof gekommen, wo er unter dem Oelberg eine Flamme in Gestalt eines Kreuzes vom Boden aufsteigen gesehn, worauf er alsbald gelobt habe, ein steinernes Kreuz zu verfertigen und es an diesem Platze aufzurichten.

Der Markgraf maß dieser Aussage wenig Glauben bei; da er aber im Begriff stand, zu dem unglücklichen Zuge gegen den Pfalzgrafen Friedrich V. abzureisen, so befahl er, dem Gefangenen einen Stein, wie er ihn verlangen werde, und Werkzeuge zu geben, damit er das Kreuz beginnen und vollenden könne. Sollte derselbe aber damit nicht zu Stande kommen, so erwarte ihn der Tod durch den Strick.

Der Mann legte Hand an das Werk und es gelang ihm wunderbar. Als der Markgraf später aus seiner Gefangenschaft zurückkehrte und das herrliche Werk sah, fand er an demselben großen Wohlgefallen und ließ es auf dem Friedhof aufstellen;

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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 195. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_195.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)