Manche Stunde sah sie traurig
Nach dem schönen, hehren Dom,
Welchen Erwins Hand gegründet
Hugo sprach mit süßen Worten:
„Komm ins Abendroth hinaus,
Komm und sieh die Rehlein springen
In des Waldes grünem Haus.
Wandelst gern im Blumenduft;
Komm und laß den Falken steigen
Fröhlich in die blaue Luft!“
Aber Hugo’s Worte lullen
Immer schaut sie nach dem Münster,
Immer schaut sie nach dem Rhein.
Einst sieht sie des Thurmes Spitze
Herrlich schimmern durch die Nacht;
Der Beleuchtung hohe Pracht.
Und sie fleht zum Gatten weinend:
„Morgen ist ein heil’ger Tag;
Gönne mir, daß ich ihn drüben
Hugo giebt ihr treue Diener
Auf die Betfahrt zum Geleit,
Und die Meß’ im Dom zu hören
Kommt sie noch zu rechter Zeit.
Weht sie an ein kalter Hauch,
Als die Kerzen nun erlöschen,
Da verlischt ihr Leben auch.
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 153. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_153.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)