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5) Der treulose Schreiber.

Seit vielen Jahren gehen im Mondschein um Mitternacht von der Windeck fünf Personen herunter nach Hennegraben, wo die Kapelle stand, und kehren um ein Uhr wieder zurück. Voraus geht ein Mann, schwarz gekleidet, mit einem Schreibzeug, hinter ihm zwei weiße Fräulein, denen zwei Ritter folgen. Sie sind sehr ernst und danken auf keinen Gruß. In die Burg zurück gekommen, steigen sie auf den großen Thurm, drücken sich dort die Hände und verschwinden dann in das Burgverließ unter dem Thurme, und es ist, als wenn Jemand von oben herab weinte und jammerte. Es sollen dies die Töchter des letzten Herrn von Windeck seyn, welche der Schreiber im Testament verkürzt hat, weßhalb er im Tode nicht ruhen kann.[1]

(Siehe Mone’s „Anzeiger für Kunde der teutschen Vorzeit.“ Jahrg. 1834.)


6) Das Burgfräulein von Windeck.

Einst verfolgte ein Jägersmann ein Stück Hochwild bis zu den Trümmern der Burg Windeck, worin es sich spurlos verlor. Es war ein heißer Tag, der Jäger setzte sich erschöpft auf einen Stein, trocknete sich den Schweiß von der Stirne und sagte vor sich hin: „Wer mir doch jetzt einen Trunk brächte aus dem verschütteten Keller da drunten, wo noch so manches Faß edlen Firneweins liegen soll!“

Kaum war das Wort aus seinem Munde, da trat eine wunderschöne Jungfrau hinter der Epheumauer hervor; sie trug ein schneeweißes Gewand, an dessen schwarzem Gürtel ein Gebund Schlüssel hing, und in der Hand einen silbernen Becher. Dem jungen Waidmann pochte das Herz gewaltig, zumal als sie gar ihm noch freundlich zunickte und den Becher entgegen hielt. Doch überwand er den etwas unheimlichen Eindruck dieser wunderbaren Erscheinung, ging rasch darauf


  1. Die Windeck hat zwei Thürme, unter dem größern ist das tiefe Verließ. Auch hatte Jakob von Windeck, der letzte, zwei Töchter, die an Einen von Hüffel und Einen Fleckenstein verehlicht waren.
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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 151. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_151.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)