Seite:Badisches Sagenbuch II 135.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Bühl
und nächste Umgebung.


Der Hexenthurm in Bühl.[1]

Auf dem linken Ufer des Bühlerbaches, in dem Theile des Städtchens Bühl, welcher den Herren von Windeck gehörte, stand noch vor nicht gar langer Zeit ein mächtiger Thurm, der Hexenthurm genannt. Er mochte wohl ursprünglich mit dem kaum hundert Schritte von ihm entfernten Schlosse der Windecker durch einen unterirdischen Gang in Verbindung gewesen seyn; später aber, zur Zeit der unseligen Herenprocesse, benützte man ihn als Gefängniß für diese unglücklichen Schlachtopfer eines finsteren Wahnes.

Damals lebte in Bühl eine wackere, fromme Matrone, die ein einziges, sehr schönes und eben so tugendhaftes Töchterlein besaß, Gertrud mit Namen. Die Reize des Mädchens erregten die Lüsternheit des Schloßvogts, der ein gewaltthätiger Mann und roher Wüstling war, und er machte der Jungfrau Anträge, die jedoch mit Abscheu zurückgewiesen wurden. Der Burgvogt ergrimmte und sann von Stund’ an auf Rache.

Zufällig begab es sich, das Gertrud eines Tages vor Sonnenaufgang sogenannte Ostertaufe oder Wasser, welches in den katholischen Kirchen auf Ostern geweiht wird, auf einen ihrer


  1. Bühl, alte Stadt und Amtsort, liegt am westlichen Abhange des Bergstriches Unterbühlot, am Ausgange des lieblichen, von der Bühlot durchströmten Thälchens, in einer durch trefflichen Wein- und Obstbau reichgesegneten Gegend. Weit berühmt ist namentlich das Affenthaler Traubenblut.
Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band . Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 135. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_135.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)