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nicht aus seinen Gedanken schwinden, so lang er den unseligen Schleier nicht von sich werfe, dessen Zauberkraft ihn zugleich unfehlbar in seiner Verblendung dem Grabe zuführen müsse. Berwin wurde nachdenkend; er erinnerte sich mancher unheimlichen Erzählung von den Bewohnern des Mummelsee’s, und sein Kleinmuth erwachte, so daß es zuletzt dem Drängen Eckhart’s gelang, daß er diesem sogar den Schleier übergab, wiewohl nur mit widerstrebendem Herzen. Bald darauf trennten sie sich, denn es war schon spät geworden.

Eckhart war nicht wenig erfreut über das Gelingen seines Auftrags. Aber noch war das Werk nicht ganz vollbracht; noch blieb ihm ein wichtiger Schritt übrig, um seinen jungen Freund aus den Schlingen des Bösen und seiner Diener zu befreien, wie der Glaube jener Zeit wähnte. Und kaum graute in der andern Frühe der Morgen, als er sich auf den Weg nach den Hornisgrinden machte; am See angekommen, wand er den Schleier um einen schweren Stein und schleuderte ihn so weit in das Wasser, als er vermochte, dann stieg er die Höhe des Berges vollends hinan, den etwaigen Erfolg dort abzuwarten.

In Berwin’s Augen kam in der Nacht, welche der Unterredung mit Eckhart folgte, kein Schlaf. Er konnte den Gedanken nicht los werden, daß er mit dem Schleier das ganze Glück seines Lebens aus den Händen gegeben und Eckhart ihn getäuscht habe; denn lebendiger, reizender als je, stand jetzt das Bild der Wasserjungfrau vor seiner Seele und unbezwinglich ward die Sehnsucht nach ihr. Er wälzte sich ruhelos auf seinem Lager, und kaum dämmerte der erste Schein im Osten, so trat er schon den Weg an nach dem See, wohin es ihn so unaufhaltsam zog. Träumend schritt er dort am Ufer hin; da sieht er Etwas in der Mitte des Wassers schwimmen; er sieht genauer hin, und, täuscht ihn nicht Alles, so ist es der verhängnißvolle Schleier, den er zu seinem großen Leid aus den Händen gegeben. Ja, so war es; er trügte sich nicht. Ein rüstiger Schwimmer, besinnt er sich nicht lange, und stürzt sich jählings in den See. Jetzt ist er dem schwimmenden Gewebe nahe, schon streckt er die Hände darnach aus, – da beginnt er unaufhaltsam zu sinken, tiefer und immer tiefer, bis die schwarzen Gewässer über ihm zusammen schlagen und ihn bergen in ihrer bodenlosen

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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 114. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_114.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)