Seite:Badisches Sagenbuch II 110.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

herrühren mochte, das aber von Bäumen und Gesträuch so überwachsen war, daß man es beim Mondenlicht kaum zu unterscheiden vermochte. Das Geschlecht der Herren von Bosenstein ist sehr alt und war einst reichbegütert und mächtig. Im Jahre 1773 starb der Letzte dieses Geschlechts mit Hinterlassung von sieben Töchtern, nachdem er die Burg wieder an sich gebracht, die fast dritthalb hundert Jahre in fremden Händen gewesen. Mein Führer erzählte mir viel von dem großen Umfange der Burg und den Gütern, die einst dazu gehört, und knüpfte daran die bekannte Sage von der eingemauerten Burgfrau von Bosenstein im Gottschläg.[1] Der gute Mann war nun einmal im Zuge, und nun folgte eine Geschichte der andern. Das Meiste davon war mir schon bekannt; Anderes war theils neu erfunden, theils äußerst fade. Die anziehendste von den mir noch unbekannten Sagen war folgende:

„In der Legelsau, einer reizenden Seitenwindung des Kapplerthales, wohnte einst ein Förster der Herren von Bosenstein mit seiner Hausfrau und seinem einzigen Sohne, einem stattlichen Burschen von zwanzig Jahren. Frisch und kerngesund an Leib und Seele und dabei blühend in kräftiger Jugendfülle, war der junge Berwin die Freude und der Stolz seiner Eltern, und schon ging er dem betagten Vater in seinen beschwerlichen Berufsgeschäften kräftig an die Hand, war ein rastloser, unermüdlicher Jäger und ein Schütze, der seines Gleichen suchte von nah und fern, und Keinen fürchteten die Wildschützen der Umgegend mehr, als ihn. Aufgewachsen unter den Bäumen des Waldes, gab es für ihn keinen schönern Aufenthalt, als in der lieben freien Gotteswelt und im grünen Schatten von Berg und Thal, wo die schlanken Tannen und breitästigen Buchen ihm lauter alte Bekannte waren. Vom frühen Morgen an schweifte Berwin über Höhen und Schluchten und kehrte meist erst am späten Abend zum heimathlichen Herde zurück, worüber ihm manch freundlich-ernste Zurechtweisung von der Mutter zu Theil ward. Doch war der junge Waidmann deßhalb nichts weniger als ein Menschenfeind, und häufig fand er sich an Sonn- und Festtagen in der Schenke zu Seebach ein, wo er


  1. Siehe S. 72 dieses Bandes.
Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 110. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_110.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)