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Der Gutenabendgruß eines Forstgesellen aus der Herrenwiese weckte mich aus dem entsetzlichen Traume. Hastig raffte ich mich auf und schickte mich schweigend zum Weiterwandern an. Es war ganz Nacht geworden und am tiefblauen Himmel flammten die hohen Leuchten in ungetrübtem Glanze und streuten ihr silberblühendes Licht durch das Dunkel. Noch einen Blick warf ich auf den wundersamen See, dann folgte ich dem sich mir zum Führer anbietenden Jäger, der eben in das Dickicht des Waldes hinein schritt, wo die Tannenzweige dem Mondeslicht noch hinreichend Durchgang gestatteten, daß wir rasch und ungehindert zwischen den schlanken Baumsäulen hindurchwandern konnten. Noch hatten wir keine weite Strecke zurückgelegt, als wir aus dem tiefen Waldesschatten heraus und ins Freie traten. Hier aber wartete meiner ein überraschender, wahrhaft zauberischer Anblick.

Rings im Kreis umzogen die gewaltigen, finstern Bergriesen den Horizont und reckten ihre Häupter tief hinein in des Mondes milden Schein; zwischen den düstern Baumgruppen an den Gebirgshängen traten riesige Felsmassen heller hervor, oder einzelne Steingiganten ragten wie Nachtgespenster aus dem Boden; aus den Schluchten und Klüften aber stiegen die alten Berggeister auf und zogen als seltsame Neugestalten über die Wipfel der Bäume hin, während glänzende Thauperlen wie Elfen auf grünem Laub und duftenden Blumenkelchen schaukelnd sich wiegten. Und über die ganze Landschaft hatte sich ein leichter, feiner Nebel gebreitet, der sich mit dem halben Mondeslichte zu einem duftig durchsichtigen Nebelschleier verwob und dem Bilde jene feenhafte Färbung verlieh, die uns die Brust mit unbegriffener Ahnung erfüllt und unaussprechlicher Sehnsucht. Nur ungern schied ich von dieser Stelle und von dem zauberhaften Gemälde, das sich hier zeigte, aber mein Führer drängte; so gehorchte ich seiner Mahnung, und wir folgten dem Pfade abwerts, der sich zwischen Felsstücken und Gesträuch hinab zieht. Endlich hatten wir den Thalgrund erreicht, wo der Weg fortan längs der rauschenden Acher hinführt.

„Dort liegt der Bosenstein!“ – sprach jetzt mein Führer, indem er nach einem dunkeln Hügel links hinzeigte, dessen ungewöhnliche Gestalt wohl von dem dort befindlichen Gemäuer

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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 109. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_109.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)