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Den grünen Mantel ziert ein Saum
Von weißem Pelz wie Wellenschaum.
Der Amme vor Entsetzen bleich,

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Gebeut er, ihm zu folgen gleich

Und seiner Hausfrau beizustehen,
Die niederliegt in Kindeswehen.
Die Amme netzt sich an der Schwelle
Noch mit geweihtem Wasser schnelle,

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Und mit geheimem Grausen dann

Folgt sie dem geisterhaften Mann.

Tief ins Gebirge ging der Weg,
Ihr war, als ob Gebüsch und Steg
Vor ihrem Blick vorüber flögen,

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Als ob sie Geisterhände zögen;

Und siehe! schon am dunkeln Rand
Des Mummelsee’s die Bange stand.
Und aufs Gewässer schlug der Greis
Dreimal mit einem Birkenreis,

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Daß rauschend sich die Fluthen theilten.

Auf einer Marmortrepp’ nun eilten
Die Beiden in die Tiefe jach
Bis ins erhellte Schlafgemach.
Und siehe! – durch den weiten Saal

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Schien eines Leuchters bunter Strahl,

Geziert mit glitzernden Kristallen;
Mit reichen Perlen und Korallen,
Und von dem bunten Licht beschienen,
Lag hinter seidenen Gardinen

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Die blasse Frau in ihren Wehen.

Frisch eilt’ die Amm’, ihr beizustehen,
Und bald ist aller Schmerz gehoben.
Der Greis geleitet sie nach oben,
Er dankt, des guten Dienstes froh,

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Und reicht zum Lohn – ein Bündel Stroh.


Kaum stieg der Alte langsam wieder
Die blanke Wendeltreppe nieder,

Empfohlene Zitierweise:
August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band . Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 102. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_102.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)