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Ortenau.[1]

Kippenheim.


Die erlöste Schlange.

Einer hochschwangeren Frau von Kippenheim, die Mittags in den dortigen Weinbergen schlief, kroch eine Schlange in den offenen Mund. Ihr Töchterlein, welches neben ihr saß und dies bemerkte, wollte die Schlange noch am Schwanze packen und zurückziehen; es war aber zu spät, sie schlüpfte der Frau ganz die Kehle hinunter in den Leib, wo sie sich ruhig verhielt und der Schwangeren keine weitere Beschwerde verursachte. Als aber die Frau bald darauf eines Kindleins genaß, hatte sich ihm die Schlange so fest um den Hals gewickelt, daß man sie nur durch ein Milchbad davon losbrachte. Sie wich aber nicht von des Kindes Seite, lag stets bei demselben im Bett und fraß aus seiner Schüssel. Weil sie dem Kinde dabei nichts zu leide that und von ihm sehr geliebt wurde, ließen die Eltern beide ungestört beisammen. Sechs Jahre waren so verflossen, als einst die Schlange die allzugroßen Brodstücke in einer Milchsuppe nicht fressen wollte und dadurch das Kind so böse machte, daß es ihr den Löffel auf den Kopf schlug mit den Worten: „Friß auch Mocken, (Brocken) nicht lauter Schlappes!“ (Brühe.) Von diesem Augenblick an wurde die Schlange ganz traurig und verschwand nach einiger Zeit ganz aus dem Hause. Man suchte sie überall von Dach bis zu Keller, endlich in dem großen Steinhaufen, der seit dem Schwedenkrieg unerforscht im Hofe gelegen.


  1. Unter diesem Namen, den im Mittelalter ein großer Gau trug, welcher das Land zwischen der Wasserscheide des Schwarzwaldes im Osten, der Bleich im Süden, dem Rheine im Westen und dem Oosbache mit der Murg im Norden, also beinahe das ganze Mittelstück des jetzigen Badens umfaßte, begreift man jetzt im Munde des Volkes nur noch etwa die Gegenden von unterhalb der Bleich an, von Offenburg mit einer kleinen Strecke das Kinzigthal aufwärts, dann die Strecke des Rheinthals über Appenweiher und Renchen bis gegen Bühl hinunter.
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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 2. Band. Karlsruhe: Kreuzbauer und Kasper, 1846, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_II_003.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)