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den Rittern trefflich abgelernt hatten. Eine schöne Glocke auf einem der Thürme des Villinger Münsters ist die Beutefrucht eines derartigen Zuges nach Düningen, einem drei Stunden von da gelegenen Würtembergischen Dorfe.

Bei der unbeschränkten Freiheitsliebe und Streitlust, die Romeias’ ganzes Wesen erfüllte, konnt’ es nicht fehlen, daß er bald in arge Händel nicht nur mit der Nachbarschaft, sondern auch mit dem Villinger Stadtrathe selbst gerieth, der ihm nichts recht nach Sinnen machte; besonders erboßt war er auf eine der ersten Rathspersonen, auf den Stadtschreiber und Schultheißen, Hans von Frankfurt genannt, der ihn einmal ziemlich hart zur Strafe gezogen. Er suchte seine Rache an ihm durch solche Stachelreden und thätliche Beschimpfungen auszulassen, daß sich zuletzt der Magistrat genöthigt sah, diesen unruhigen Kopf wo möglich unschädlich zu machen. Am Tage Mariä Empfängniß, im Jahr 1498, ward Romeias auf Befehl des Stadtraths unversehens gefangen genommen und in das Verließ des Michaels-Festungsthurmes, den sogenannten Diebsthurm, gesperrt. In diesem Thurme sieht man noch, 30 Schuh über dem Fundamente, in der Mitte des dicken Holzbodens ein Loch, durch welches unser Held hinuntergelassen wurde und durch welches er auch seine Nahrung, wie es heißt, ein ganzes gebratenes Kalb täglich, erhalten haben soll. Romeias aber machte sich die abgenagten Knochen trefflich zu Nutze; er sammelte sich binnen kurzer Zeit einen solchen Vorrath davon, daß er sich eine Art von Stiege, die er in die Mauerritzen und gebohrten Löcher seiner Kerkermauer einkeilte, verfertigen und darauf bis zur Decke klettern konnte. Allein da das erwähnte Loch in der Mitte derselben, durch welches ihm seine Kost herabgelassen wurde, noch ohngefähr 12 Schuhe vom Saume der Mauer entfernt war, gelang es ihm doch nicht, auf diese Weise zu entkommen. Dazu verhalf ihm hingegen glücklicherweise sein eigener Gefängnißwärter, den er durch Versprechung reichlichen Lohnes zu bestechen wußte. Dieser steckte ihm die nöthigen Instrumente zu, um den Bohlenboden, welcher die Decke seines Verließes bildete, zu durchbrechen. Aus dem Thurme, der an der Stadtmauer steht, entfloh nun Romeias, auf dem sogenannten Umlauf an der Ringmauer, nach St. Johann, einer ehemaligen Commende

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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagen-Buch 1. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 449. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_449.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)