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Einst, am Vorabend eines kirchlichen Festes, trieb er sich, wie gewöhnlich, bis tief in die Nacht im Walde herum, kam dabei ab von seinem Gefolge und verirrte sich in eine ihm völlig unbekannte Gegend. Umsonst gab er sich alle Mühe, einen Pfad zu entdecken; die Wildniß wurde immer verwachsener und ihm blieb zuletzt kaum so viel Kraft, sich durch das dichte Gestrüpp hindurch zu arbeiten. Endlich um Mitternacht kam er auf einen freien Platz im tiefsten Forste, wo er sich auf den Rasen niederwarf, um auszurasten. Da vernahm er ein Rauschen und Stöhnen in den Gebüschen und griff rasch nach seinem Jagdspieße; doch seine Hunde begannen so ängstlich zu winseln und sich hinter ihm zu verkriechen, daß es ihm selbst, so beherzt er sonst war, ganz unheimlich zu Muthe wurde. Plötzlich stürzte ein hoher stattlicher Mann, einen Schießbogen in der Hand und ein Hifthorn an der Seite, aus dem Walde hervor auf den freien Platz, und hinter ihm drein klappernd und rasselnd eine Schaar von Todtengerippen, sämmtlich auf gewaltigen Sechzehnendern daherjagend. Der Mann suchte ihnen, so schnell ihn seine Füße tragen konnten, zu entrinnen, aber wohin er sich auch wenden mochte, von allen Seiten kam ihm ein Trupp solcher mit langen Spießen bewaffneter knöcherner Reiter entgegen und hetzte ihn wohl über eine Stunde lang auf dem Platze hin und her, bis der Graf in der Angst seines Herzens mit lauter Stimme den Namen des Erlösers anrief, worauf im Nu die Gerippe auf ihren Hirschen nach allen Richtungen auseinanderstoben und verschwanden. Der Mann aber, den sie so herumgejagt hatten, trat zum Grafen und sagte im hohlen Tone:

„Ich bin der Geist deines Urgroßvaters und habe, wie du, mein Lebenlang Wild und Menschen zu Tode gequält. Wohl hundert arme Wilderer, die sich in meinen Bann wagten, ließ ich lebendig auf Hirsche schmieden und diese dann durch meine Hunde hetzen, bis sie dem Tode nah zusammenstürzten, während die Unglücklichen, die darauf saßen, unter langen Qualen ihren Athem verhauchten. Zur Strafe muß ich nun jede Nacht in diesen Wäldern umherirren; jede Nacht werde ich nun selbst verfolgt und gehetzt von dem Schwarme der von mir Gemordeten und ich büße tausendfach für das, was ich an ihnen verübt.

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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagenbuch 1. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 435. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_435.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)