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ob der Kapelle am obern Werde aufzufangen. Die Frau, als sie sah, daß man ihren Mann schlug und stach, fing ein lautes Geschrei an, da erhielt auch sie einen Schlag mit einem Spieß über den Rücken, daß sie bewußtlos niedersank. Indessen wurde ihr Mann das Kirchzartner Thal hinauf, zu den Birken in ihres Vaters Haus, fortgeschleppt, wohin auch sie, sobald sie der Sinne wieder mächtig wurde, nachfolgte. Hier blieb er einen Freitag und Samstag gefangen; Sonntag Morgens führte man ihn weiter auf die Burg Falkenstein, wo sie gleichfalls mit ihm einzudringen wußte. Nun legte man sie aber in eine Stube in Eisen, in der sie des folgendes Tages, von den Schlägen und dem Schrecken entkräftet, ein todtes Kind gebar. „Und war,“ erzählte sie nachher im Verhöre selbst, „Niemand bei ihr von Frauen noch Mannen, der ihr in diesen Sachen zu Statten käme. Und dasselbe ihr todtes Kind wand sie in ihren Darphart und Morndes (künftigen Tages) auf Dienstag zu Mittag ward sie aus dem Gefängniß gelassen und trug ihr todtes Kind bis nach Kirchzarten in das Dorf und begrub es da.“

Indessen hatte man sich über ihren Mann aufs Neue berathschlagt und Ritter Dietrich ihrem Vater erlaubt, mit demselben zu leben, wie er wolle. „Denn,“ sagte er zu ihm: „es ist besser, du verdirbst den Gefangenen, als daß er dich verdirbt.“ So war der Unglückliche ganz in die Hände seines rachedurstigsten Feindes gegeben, der nur noch schwankte, ob man ihn aufs freie Feld vor die Veste führen und dort erstechen, oder in ein Bergloch werfen, oder von der Veste selbst herabstürzen solle, sich aber bald für das Letztere entschied. Somit nahm Künin Henseler noch einen seiner Söhne, ferner Hanmann Schlupf, Künin Weinmann und noch zwei Andere zu sich und kündete dem unglücklichen Gefangenen das Todesurtheil an, wobei man ihn fragte, ob er in den Kleidern hinausfallen oder sie zum Heil seiner Seele in eine Kirche vergraben wolle. Hans Schneiders Antwort war: er wolle sie seinem Kinde geben, und somit zog er sich in Künlins Hause, wo er gefangen gelegen hatte, bis auf sein Niedergewand und sein Hemd aus, und wurde auf den höchsten Punkt der Veste in Herrn Dietrichs Haus an ein Fenster geführt, unter dem sich der Abgrund auf anderthalbhundert Klafter vertiefte, wo man ihm das Haupt zu dem Fensterlein

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August Schnezler (Hrsg.): Badisches Sagenbuch 1. Band. Kreuzbauer und Kasper, Karlsruhe 1846, Seite 420. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Badisches_Sagenbuch_420.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)